Magical Mystery
»Schulte!«
»Ja, ich bin’s wieder, Maier, ich hätte gerne Karl Schmidt gesprochen.«
»Der ist nicht da.«
»Du kannst durch die Nase reden, bis du schwarz geworden bist, Karl Schmidt, ich erkenne deine Stimme!«
Ich ließ mich nicht beirren, zumal es Quatsch war, was er sagte, die Wahrheit war ja, dass ich mir die Nase zuhielt, was ja nun genau das Gegenteil von Durch-die-Nasereden war, aber das konnte ich natürlich nicht sagen.
»Hören Sie«, sagte ich streng, »ich weiß nicht, was Sie von Charlie wollen, aber der ist gerade nicht in der Nähe und beleidigen lasse ich mich nicht.«
»Soso«, sagte Werner. »Und wann ist er mal in der Nähe, der liebe Charlie?«
»Der ist in Köln, wir sind in München«, sagte ich. »Der hat noch in Köln zu tun.«
»Und was macht der da? Und wo ist der da?«
»Hören Sie«, sagte ich streng, »ich versuche gerade, meinen Schnupfen auszukurieren, ich wollte gerade ein Dampfbad mit Kamille nehmen, das ist schon aufgegossen und das wird jetzt kalt, also wollen wir das vielleicht abkürzen: Ich kenne Sie nicht und ich gebe Ihnen keine Auskunft über egal wen, Sie alte Sozpäd-Kapeike.«
»Ha, bist du das doch, Karl Schmidt, jetzt hast du dich selbst verraten, da kannst du mir erzählen, was du willst, das ist doch typisch dein dummes Gequatsche! Und jetzt hör mal zu, früher oder später wirst du mit mir reden müssen, am besten früher, so kommst du mir nicht davon, einfach abhauen ist nicht, das sag ich dir gleich. Am besten kommst du mal gleich zurück und erzählst alles. Oder St. Magnus erstmal, wenn die dich da noch nehmen!«
»Ich weiß nicht, wovon Sie reden!«
»Na gut, spielen wir das so weiter«, sagte Werner und ich sah ihn regelrecht vor mir, wie er da den guten alten Werner-weiß-Bescheid-Plenumszeigefinger hin- und herwedelte, »machen wir ruhig hier einen auf doof, aber tun Sie mir bitte einen Gefallen, lieber Herr Schulte: Sagen Sie Charlie, wenn Sie ihn wiedersehen, und ich bin sicher, das wird bald sein, sagen Sie ihm also, er kann sich jederzeit bei mir melden! Ich hab zwar nicht so ein Telefon wie Sie, Herr Schulte, aber der liebe Charlie kann mich ja zu Hause erreichen, sagen Sie ihm das, zu Hause, er wird ja wohl noch wissen, wo das ist. Und wie da die Nummer geht. Ich habe ihn noch nicht abgeschrieben, er kann jederzeit anrufen und er kann jederzeit zurückkommen, nüchtern oder breit, das ist mir wurscht, oder er kann auch nicht zurückkommen, meinetwegen, aber er soll vorher wenigstens noch einmal mit mir geredet haben, die feige Sau.«
»Das ist ein bisschen viel, was ich ihm da sagen soll, ich glaube nicht, dass ich mir das alles merken kann. Können Sie ihm keinen Brief schreiben?«
»Wohin denn?«
»Was weiß ich, Sie wissen doch immer alles, dann werden Sie das schon noch rauskriegen. Wo haben Sie eigentlich diese Nummer her?«
»Ich hab bei so Idioten in Berlin angerufen, die haben mir weitergeholfen, Herr Schulte!«
»Soso«, sagte ich und wusste nicht mehr weiter. Irgendwie fehlte mir der alte Zausel und ich freute mich, seine Stimme zu hören, aber er tat mir auch ein bisschen leid, dieses Gespräch erinnerte mich auf unangenehme Weise daran, wie meine Mutter damals in eine Kneipe im Karolinenviertel gekommen war und gewollt hatte, dass ich mit ihr nach Hause kam und wie ich ihr vor der versammelten Punker-Mannschaft eine Abfuhr erteilt hatte, da war ich achtzehn gewesen, und wie sie sich dann immer weiter zum Horst gemacht und dem Wirt mit der Polizei und sonst was gedroht hatte, und der hatte sie ausgelacht, das war traurig gewesen, und ein bisschen traurig wurde ich jetzt auch und ich wollte schon sagen »Okay, Werner, du alte Betreuungshaubitze, lass uns reden«, da fing er wieder an und sagte: »Aber das ist kein Charity-Ding, das können Sie ihm sagen, dem Charlie, wenn Sie ihn sehen, Herr Schulte, das ist nicht, weil er mir leidtut, oder weil ich sentimental bin, ich sehe es bloß als meine verdammte Pflicht an, wenigstens einmal noch mit ihm geredet zu haben, haut der einfach ab, der Charlie!«
»Ich habe gerade nichts zum Mitschreiben«, sagte ich und dabei wanderte mein Blick nach rechts zu den Schmidts im Regal, und da waren viele, viele Kataloge, es heißen ja auch viele Leute Schmidt, da sind dann auch viele Künstler dabei, das ist ja logisch, und dann sah ich einen Katalog, der war gleich mehrmals da, Rücken an Rücken, alle gleich, und der hieß »Karl Schmidt – Mechanik und Statik, Galerie Wiesenberg«,
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