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Magie der Sehnsucht - Roman

Magie der Sehnsucht - Roman

Titel: Magie der Sehnsucht - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sherrilyn Kenyon
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Buch? Seit dem Mittelalter? « Zumindest benahm er sich so.
    Reglos saß er da. Keine Emotionen. Gar nichts. Wenn sie es nicht besser wüsste, würde sie ihn für einen Androiden halten.
    »Das letzte Mal wurde ich im Jahr 1895 zu einer Frau gerufen.«
    »Was?« Sie stellte den Topf mit den Nudeln in die Mikrowelle und starrte ihn fassungslos an. »1895? Meinst du das ernst?«
    Julian nickte.
    »Und wann ist es zum ersten Mal geschehen?«
    In seinen Augen funkelte unverhohlener Zorn. »149 vor Christi – nach deinem Kalender.«
    »149 vor Christi … Du meine Güte! Also stammst du tatsächlich aus Makedonien.«
    Wortlos nickte er.
    Während sie die Mikrowelle schloss und das Gerät einschaltete, überschlugen sich ihre Gedanken.
    Unmöglich. Das musste unmöglich sein! »Und wie bist du in das Buch geraten? Soviel ich weiß, hatten die alten Griechen keine Bücher, oder?«
    »Ursprünglich wurde ich in einer Schriftrolle gefangen gehalten, die man später in einem Buch zusammenfasste, um sie zu schützen.« Ohne mit der Wimper zu zucken, fuhr
er fort: »Und falls du wissen willst, wieso ich verflucht wurde – ich drang in Alexandria ein.«
    Erstaunt hob sie die Brauen. Das ergab keinen Sinn. Nicht dass irgendetwas in seiner Geschichte einen Sinn ergeben hätte. »Weil du in eine Stadt einmarschiert bist und …«
    »Alexandria war keine Stadt«, unterbrach er sie, »sondern eine Jungfrau, die dem Fruchtbarkeitsgott Priapos diente.«
    Nur weil er in eine Frau eingedrungen war, musste er für alle Zeiten Buße tun? »Also hast du eine Jungfrau vergewaltigt?«
    »Keineswegs«, erwiderte er frostig, »es geschah mit ihrem Einverständnis, das kann ich dir versichern.«
    Okay, er sprach nicht gern über seine Vergangenheit. Nur zu deutlich spürte sie den Riss, der in seinem Eispanzer entstanden war. Vielleicht sollte sie ihre nächsten Fragen etwas subtiler formulieren.
    Nun hörte er eine seltsame Glocke bimmeln. Grace drückte auf einen Knopf, und der schwarze Kasten, in den sie seine Mahlzeit gestellt hatte, öffnete sich.
    Sie stellte einen dampfenden, mit Hühnerfleisch und Nudeln gefüllten Teller auf den Tisch, legte eine silberne Gabel, ein Messer und eine Papierserviette daneben und stellte ein Glas Wein dazu. Als ihm verlockende Düfte in die Nase stiegen, knurrte sein Magen.
    Vielleicht müsste er sich wundern, weil Grace so schnell gekocht hatte. Aber nachdem er von Eisenbahnen, Automobilen, Fotoapparaten, Raketen und Computern gehört hatte, konnte ihn nichts mehr überraschen. Eigentlich empfand er überhaupt nichts mehr, denn er hatte seine Gefühle schon vor langer Zeit verdrängt. Seine Existenz bestand aus Monaten, auf mehrere Jahrhunderte verteilt,
und diente nur einem einzigen Zweck – er musste die erotischen Bedürfnisse seiner Herrinnen befriedigen.
    Und wenn er in den beiden letzten zwei Jahrtausenden etwas gelernt hatte, dann war es die Fähigkeit, die wenigen Freuden zu genießen, die ihm während seiner kurzen Lebensphasen geboten wurden.
    Von diesem Gedanken ermutigt, steckte er einen kleinen Bissen in den Mund. Einfach himmlisch, die warmen, cremigen, weichen Nudeln …
    In vollen Zügen kostete er den würzigen Geruch der Hühnerstückchen aus. Seit er zum letzten Mal etwas gegessen hatte, war eine Ewigkeit verstrichen – eine Ewigkeit voller Entbehrungen. Die Augen geschlossen, schluckte er den ersten Bissen hinunter. Da er eher an Hunger als an Nahrung gewöhnt war, krampfte sich sein Magen zusammen. Um den Schmerz zu bezwingen, umklammerte er das Besteck mit bebenden Fingern.
    Doch er hörte nicht auf zu essen – unmöglich, nachdem er so lange gewartet hatte, um solche Bedürfnisse zu stillen. Allmählich ließen die Krämpfe nach, und er konnte nach Herzenslust in der wundervollen Mahlzeit schwelgen. Er musste sich beherrschen, denn er wollte auf zivilisierte Weise speisen, statt das göttliche Essen mit beiden Händen in sich hineinzuschaufeln. In solchen Momenten konnte er sich nur mühsam darauf besinnen, dass er immer noch ein Mensch war – kein wildes Tier, das man aus einem Käfig befreit hatte. Schon vor Jahrhunderten hatte er den Großteil seiner menschlichen Züge verloren. Was noch davon übrig war, wollte er behalten.
    Grace lehnte an der Küchentheke und schaute ihm zu. Langsam, fast mechanisch führte er einen Bissen nach dem anderen zum Mund. Ob es ihm schmeckte, ließ sich nicht feststellen.

    Erstaunt beobachtete sie seine perfekten europäischen Tischmanieren.

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