Magier unter Verdacht
sein?“
„Die persische Variante von Napfsülze“, erklärte Ağan mit Unschuldsmiene.
Addi grunzte erleichtert. „Uff, ein Witz! Und Jenny ist drauf reingefallen!“
„Ach ja?“ Jenny lachte etwas gequält. Dann meinte sie schnippisch: „Einen Freund mit einer einzigen Eins im Leben und einen mit Schafshirn in Glibbergelee! Mann, geht’s mir gut!“
Ağan nickte ernsthaft. „Allerdings solltet ihr euch auch den roten Sessel ansehen. Er sieht aus wie eine große rote Muschel, die durch die Straße wandert.“
Jetzt brach Jenny in helles Gelächter aus. „Das wird ja immer besser.“
Auch Addi gluckste fröhlich. „Dann hatte der wohl Wandertag!“
Doch Ağan sah seine Freunde fest an. „Wohl kaum, denn ich glaube nicht, dass er noch in die Schule geht. Im Gegenteil, ich bin sicher, dass ein Dschinn …“
Jenny riss die Augen auf und raufte sich die Haare. „Ağan, das ist doch voll irre! Ich meine, wenn du einen Dieb für einen Dschinn hältst, okay, das kann ich ja sogar noch irgendwie verstehen. Aber ein Möbelstück …“
„… kann ja nicht einmal laufen“, bekräftigte Addi Jennys Worte.
„Das ist falsch!“ Ağan begann mit den Fingern in die Luft zu malen. „Dieser Sessel spaziert seit Tagen durch meine Straße. Er ist eines Tages aus dem Nichts aufgetaucht und beobachtet seitdem die Menschen.“
„Und warum sollte er das bitte tun?“, fragte Jenny.
Ağan zuckte die Schultern. „Wenn ich ein Sessel wäre und dieLeute würden immer alle auf mir rumsitzen, dann würde ich mir ihre Welt auch ansehen wollen. So oft kommen Sessel ja nicht auf die Straße. Vielleicht ist er geflohen oder so.“
Jenny schüttelte den Kopf. „Ey, jetzt hab ich echt genug von dem Sessel-Dschinn!“
„Da ich mir das schon gedacht habe, schlage ich vor, wir holen jetzt einfach Goffi und gehen los.“ Ağan strahlte Addi und Jenny an. „Unser kleiner Freund muss nämlich mit nach Neukölln. Yildiz findet ihn doch so süß!“
„Zum Glück weiß deine Schwester nicht, dass Goffi ein ausgebildeter Taschendieb ist“, lachte Jenny. „Sonst würde sie ihn sofort festnehmen.“
Ağan nickte. Yildiz war Streifenpolizistin und ließ, was Recht und Ordnung anging, absolut nicht mit sich spaßen.
„Mann!“, rief Addi. „Seid nicht so gemein! Goffi hat uns schon sehr geholfen.“
„Das ist wahr!“, bestätigte Ağan. „Trotzdem sollte Yildiz seine verborgenen Talente besser nicht zu sehen bekommen. Doch das kriegen wir hin! Los jetzt, meine Freunde!“
Und damit machten sich die Unsichtbar-Affen auf den Weg zur Villa Felsfisch.
Wenig später spazierten die Unsichtbar-Affen durch die Neuköllner Karl-Marx-Straße. Ağan hatte, wie fast immer, wenn sie mit Goffi unterwegs waren, das Klammeräffchen auf der Schulter.
Vor einer hohen alten Holztür in einem mehrstöckigen Wohnhaus machte er halt. „Da sind wir!“
Jenny sah sich um. „In deiner Straße wächst ja kein einziger Baum!“
Ağan schüttelte den Kopf. „Doch, du siehst sie nur nicht!“
„Verstehe. Dann gibt es hier vielleicht Geisterbäume?“, neckte ihn Jenny.
„Eher einen ganzen Geistergarten.“ Ağan fasste nach der Türklinke.
„He!“, rief Addi. „Wo ist denn überhaupt der seltsame Sessel, von dem du gesprochen hast?“
Ağan fuhr zusammen. „Das weiß ich doch nicht. Gestern stand er noch da!“ Er drehte sich um und zeigte vor das Schaufenster eines Ladens, in dem man sich jede Art künstliche Fingernägel aufsetzen lassen konnte.
Jenny kicherte. „Oh, vielleicht ist dein schöner Sessel ja da drin und lässt sich die Nägel machen!“
Ungnädig sah Ağan sie an. „Natürlich nicht. Er kann doch keine Stufen steigen – und wie ihr seht, gibt es vor dem Laden welche!“
Addi brüllte los vor Lachen. „Sehr gut, Ağan! Eins a gekontert! Da staunst du, was, Jennymädchen!“
Doch noch ehe Jenny etwas erwidern konnte, erklang eine wütende Stimme aus einer Toreinfahrt neben dem Nagelstudio: „Was machst du denn hier, du verschlissenes Mistding! Kaum guckt man mal eine Minute nicht hin, und schon ist hier wiederalles zugemüllt. Können die Leute ihren verdammten Schrott denn nicht einmal ordentlich entsorgen?! So eine Pest!“
Im nächsten Moment schoss ein roter Sessel aus der Einfahrt, gefolgt von einem dicken Mann mit einem hochgezwirbelten Schnurrbart, der ihm bis unter die Ohrläppchen reichte. Es sah aus, als liefe der Mann dem Sessel nach und wolle ihn treten. Doch dieser rutschte auf seinen kurzen
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