Magier unter Verdacht
von Unsichtbaren gesprochen, sondern von einem unsichtbaren Helfer“, entgegnete Yildiz brüsk. „Und das bedeutet, irgendjemand handelt im Hintergrund und gibt mir Hinweise, ohne sich selbst zu zeigen.“
„Ach so!“, meinte Jenny. „Ein anonymer Anrufer.“
„Anrufer?“ Yildiz sah Jenny forschend an. „Ich habe nichts von einem Anrufer gesagt.“
„Oh Mann, Yildiz!“ Ağan setzte sich aufrecht hin. „Denkst du, wir sind von gestern! Jemand, der dir anonyme Hinweise gibt,kann das ja wohl nur am Telefon tun. Oder wolltest du uns erzählen, dass du unsichtbare Stimmen auf der Straße hörst oder so was?“
Yildiz biss in ihr Brot. „Nein, du hast recht. Ich bin wohl ein wenig nervös. Entschuldigt! Aber es ist wirklich komisch, dass diese … Person immer bei mir anruft. Die muss irgendwoher meine Nummer haben. Ich verstehe das nicht!“
„Nun reg dich nicht auf. Offenbar will dieser Mensch dir ja auch helfen“, meinte Rachid. „Und einem hilfreichen Geist sollte man seine Wohltaten nicht abschlagen.“ Er lächelte seiner Tochter zu.
„Glauben Sie wirklich an hilfreiche Geister?“, entfuhr es Addi.
„Ich glaube an alle Geister“, erwiderte Rachid. „Gute, schlechte und hilfreiche. Und jetzt werde ich ein hilfreicher Geist sein und meiner Frau beim Abwasch zur Hand gehen.“ Er stand auf. „Und was macht ihr?“
„Ich will meinen Freunden mein Lieblingsbuch zeigen“, antwortete Ağan.
„Das war echt lecker, danke!“, sagte Addi.
„Ja!“, pflichtete Jenny ihm bei.
Die Unsichtbar-Affen erhoben sich vom Tisch und gingen durch einen langen Flur vorbei an einem Zimmer voller Regale, in denen viele hundert goldglänzende Buchrücken standen.
„Das ist das Zimmer meines Vaters“, sagte Ağan.
Als Goffi die vielen Bücher sah, die wie kostbare Edelsteine im Nachmittagslicht glänzten, sprang er von Ağans Schulter darauf zu, kletterte in ein Regal und fasste mit der Pfote nach einem goldenen Buchrücken.
„Halt, Goffi!“ Addi schoss ihm nach. „Das ist nichts zum Klauen. Du sollst nicht alles, was funkelt, angrapschen, du Elsteraffe!“
Goffi sah Addi unsicher an.
„Ja, ich weiß, dass du ein ausgebildeter Taschendieb bist“, flüsterte Addi. „Aber das ist jetzt vorbei. Du musst nichts mehr stehlen, um zu leben. Bei mir nicht. Und auch nicht für Jenny und Ağan. Du hast alles, was du brauchst. Du klaust also gefälligst nur, wenn ich es dir aus ehrlichen Gründen erlaube, oder in Not. Aber nicht überall, wo du hinkommst, klar?“ Addi wedelte mit dem Finger vor dem Bücherregal herum. „Nein, nein, nein!“
Jenny kicherte. „Und wo ist dein Lieblingsbuch, Ağan?“
„In meinem Zimmer!“ Er winkte seine Freunde weiter.
Am Ende des langen Flurs lag das letzte Zimmer der Wohnung. Es hatte zwei große Fenster, die auf den Hinterhof führten. Doch das Erste, was Addi auffiel, war das Etagenbett.
„Schläfst du echt mit deinem Bruder im selben Zimmer?“, rief er verblüfft.
„Ja“, antwortete Ağan.
„Cool! Das bringt sicher Spaß.“
„Es kann auch nerven“, erklärte Ağan. „Zum Beispiel schwöre ich euch, dass Karu in einer Minute hier ins Zimmer kommt …“
In diesem Moment rannten Schritte durch den Flur und schon erschien Karus Kopf im Türrahmen.
„Ağan?“, fragte er. „Sind das deine Freunde?“
„Ja“, sagte Jenny. „Ich bin Ağans Freundin.“
„Und ich bin sein Freund“, sagte Addi.
Karu trat ins Zimmer. „Hat Ağan euch schon sein Lieblingsbuch gezeigt?“ Er nahm ein riesiges, in Leder mit Golddruck gebundenes Buch von einem Tisch neben dem unteren Bett. „Das ist Tausendundeine Nacht , aber die richtige! Nicht die für Kinder.“
Addi sah Ağan fragend an.
„Das ist wahr“, sagte der. „In Wirklichkeit ist Tausendundeine Nacht keine Märchensammlung für Kinder, sondern eine große Geschichtensammlung. Es gibt darin Gedichte, wahre Geschichten, Abenteuer, Märchen, traurige Geschichten und lustige Geschichten, fiese Geschichten und Liebesgeschichten!“
„Wow!“ Jenny nahm das schwere Buch und blätterte durch die Seiten. Es war in persischer Schrift geschrieben. „Dass du das lesen kannst!“
Ağan nickte stolz, dann wandte er sich seinem Bruder zu. „Karu“, sagte er. „Wir gehen jetzt weg.“
„Warum denn?“
„Weil ich mit meinen Freunden alleine sein will.“
„Und wo geht ihr hin?“
Ağan legte den Kopf schief. „Kannst du das auch für dich behalten?“
Karu nickte ernsthaft.
„Auf den
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