Magische Insel
erteilt.«
»Bloß weil ich mich langweile? Bloß weil ich jung bin und mich noch nicht fest niedergelassen habe? Bloß weil meine Arbeit nicht vollkommen ist?«
»Nein, es hat nichts damit zu tun, dass du jung bist.« Tante Elisabet seufzte. »Voriges Jahr haben die Meister fünf Handwerksburschen verbannt, die doppelt so alt waren wie du. Und mehr als zehn Menschen, die im dritten oder vierten Lebensjahrzehnt standen, sind in die Gefahrenbrigade eingetreten.«
»Das meinst du ernst, oder?«
»Ja.«
Ja, sie meinte es ernst. Onkel Sardit hatte trotz seiner Erklärung, er würde reden, nicht viel gesagt. Plötzlich hatte ich ein merkwürdiges Gefühl, als ich Tante Elisabet anschaute. Offenbar war sie sehr viel mehr als nur Hausbesitzerin.
»Und wohin soll ich gehen?«
»Du bist dir sicher?« fragte Onkel Sardit mit vollem Mund.
»Ich habe doch keine Wahl, oder? Entweder werde ich auf ein Boot gebunden und irgendwohin in die Verbannung geschickt, oder ich versuche, soviel wie möglich zu lernen, ehe ich etwas tue. Dann habe ich wenigstens eine kleine Hoffnung, die richtige Entscheidung zu fällen.«
»Ich denke, das ist die richtige Wahl für dich«, erklärte Tante Elisabet. »Aber ganz so einfach ist es nicht.«
Nachdem ich in der gespannten Atmosphäre mein Brot und den Käse aufgegessen hatte, stieg ich in meine Kammer über der Werkstatt hinauf und packte. Onkel Sardit sagte, er werde den Armstuhl und ein paar weitere Sachen bis zu meiner Rückkehr aufbewahren.
Er erwähnte die Tatsache nicht, dass nur sehr wenige Gefahrenbrigadiere je zurückkehrten. Ich auch nicht.
III
W ie vieles in Recluce war mein Übergang vom Lehrling zum Anwärter in der Gefahrenbrigade purer Zufall. Oder es schien mir nur so zu sein.
Nach meinem ziemlich bedrückenden und ernsten Gespräch mit Tante Elisabet und Onkel Sardit half ich noch einige Tage in der Werkstatt. Onkel Sardit bat mich – statt mir wie vorher zu befehlen –einige Ecken abzuschleifen oder Paneele zuzuschneiden. Und Koldar schüttelte nur den Kopf, als wäre ich tatsächlich verrückt.
Er schüttelte ihn dermaßen überzeugend, dass ich selbst Zweifel an mir bekam. Dann hörte ich Onkel Sardit missbilligend brummen, weil zwei Ecken sich nicht im genauen Winkel trafen oder weil die Maserung zweier Stücke wegen einer winzigen Unvollkommenheit nicht tadellos passte. Oft sah ich, wie er eine kleine Schnitzerei an der Unterseite des Tisches nochmals anfertigte, die nie jemand sehen würde.
Diese Beobachtungen führten mir den wahren Grund wieder vor Augen, warum ich nicht als sein Lehrling bleiben konnte: die mich langweilende Forderung nach absoluter Vollkommenheit! Ich hatte in meinem Leben bessere Dinge zu tun, als mich zu sorgen, ob die Maserungen zweier Tischhälften oder einer Täfelung tadellos zueinander passten. Oder ob eine Ecke präzise fünfundvierzig Grad maß.
Vielleicht war es richtig für Koldar, und vielleicht schützte es gegen die Flüche des Chaos – aber es war langweilig.
Schreinern war vielleicht besser als Töpfern, aber im Grunde waren beide Arbeiten ziemlich stumpfsinnig.
Es machte mir daher nichts aus, als Tante Elisabet einige Tage später erklärte, ich solle mich fertig machen.
»Wozu?«
»Für deine Ausbildung als Gefahrenbrigadier natürlich. Glaubst du, dass die Meister dir einfach einen Stab, eine Karte und etwas Proviant in die Hand drücken und dich auf ein Schiff nach nirgendwo schaffen?«
Dieser Gedanke war mir durch den Kopf geschossen, aber ich hatte ihn angesichts der Entschlossenheit meiner Tante schnell wieder weggeschoben.
»Kann ich mich noch von meiner Familie verabschieden?«
»Selbstverständlich. Wir sind doch keine Barbaren, Lerris. Deine Eltern warten bereits seit geraumer Zeit auf dich, aber du bist kein Lehrling mehr. Was du tust, liegt allein bei dir. Die Meister in Nylan erwarten dich – und noch einige andere – morgen.«
»Das ist ziemlich weit …«, meinte ich und hoffte insgeheim, Tante Elisabet werde sagen, dass die Meister eine Kutsche oder einen Wagen schicken würden. Ich besaß zwar ein paar Silberlinge, wollte sie aber nicht für eine Fahrt auf der Hohen Straße ausgeben. Nylan lag einen guten Tagesmarsch entfernt.
»Stimmt, Lerris. Aber hast du erwartet, dass die Meister dich abholen werden?«
Ehrlich gesagt hatte ich zuvor gar nicht so richtig darüber nachgedacht.
Tante Elisabet legte den Kopf auf die Seite und lächelte, als wolle sie darauf hinweisen, dass der
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