Magische Insel
untersuchte ich den Tornister, da mir nicht mehr viel Zeit blieb. Drinnen befanden sich Kleidung zum Wechseln und leichte Schuhe, beinahe höfische Pantoffeln.
Ich zog mein Hemd aus und ging zum Waschtrog hinab, um mich zu waschen, ehe ich die neuen Sachen anzog. Onkel Sardit summte und polierte den Schreibtisch, den er angefertigt hatte. Er blickte nicht auf.
Koldar war unten in der Sägemühle und suchte nach genügend roter Eiche, um die vom Feuer versengten Tische in Polanks Schenke zu reparieren.
Ich hatte gehört, wie meine Tante und der Onkel über das Feuer gesprochen hatten. Sie hatten so getan, als hätten sie fest damit gerechnet, seit der junge Nir Polank die Schenke von seinem kränkelnden Vater übernommen hatte.
»Manche müssen es auf die harte Tour lernen.«
»Manche nicht …«, hatte meine Tante hinzugefügt, aber sie hatte nicht weitergesprochen, da ich zum Abendessen hineingekommen war.
Auf den Waschsteinen lag ein frisches Handtuch, das ich nach dem kalten Wasser gern benutzte. Wenigstens musste ich nicht duschen. Selbst unter dem halbwegs lauen Wasserstrahl in dem gemauerten kleinen Außenraum war es keineswegs warm. Den Raum sauberzumachen war noch weniger angenehm als die Dusche, aber Tante Elisabet bestand – wie mein Vater – auf absoluter Reinlichkeit. Nie aßen wir, ohne uns vorher zu waschen. Als Kind hatte ich öfter ohne Essen ins Bett gehen müssen, weil ich mich geweigert hatte, mich zu waschen.
Beide duschten jeden Tag – sogar im Winter. Auch meine Mutter und Onkel Sardit. Allerdings ließ mein Onkel die Dusche an den Tagen ausfallen, an denen Tante Elisabet nicht zu Hause war und Freunde besuchte.
Ich faltete das Handtuch zusammen und legte es auf das Regal.
»Bereit, loszumarschieren?«
Onkel Sardit stand in der Tür der Werkstatt und hielt das Poliertuch in der linken Hand.
»Jawohl, Onkel.« Ich schluckte. »Ich danke für alles … tut mir leid, dass ich offenbar nicht die Konzentration habe, um ein Meisterschreiner zu werden …«
»Lerris … du bist länger als die meisten geblieben … und du hast durchaus die Fähigkeiten eines Gesellen. Aber es wäre nicht richtig … oder?«
Da er drei Stufen über mir stand, schaute ich zu ihm auf. Er schien nicht froh darüber zu sein, dass ich fortging»Nein … wahrscheinlich hätte ich mich mit jedem Tag noch mehr gelangweilt. Ich weiß aber nicht, warum.«
»Weil du wie dein Papa bist … oder wie deine Tante. Das Blut …«
»Aber … die beiden scheinen doch hier glücklich zu sein.«
»Jetzt …«
Mir fiel nichts mehr ein, was ich hätte sagen können.
»Geh nun, mein Junge. Doch vergiss nie, dass du immer zurückkommen kannst, sobald du herausgefunden hast, wer du bist.« Er drehte sich um, kehrte in die Werkstatt zurück und polierte weiter den Schreibtisch – doch ohne zu summen.
Plötzlich schien es, als wären so viele Dinge ungesagt, so viele Dinge, die verborgen waren. Doch keiner sprach ein Wort.
Es kam mir so ungerecht vor. Als ob ich nichts verstehen könnte, bis ich fortgegangen und mein Leben in den Dunklen Sümpfen von Candar oder im Imperium von Hamor aufs Spiel gesetzt hätte. Dann würde alles bestens sein … vom feinsten.
Und meine Eltern – mich hatten sie nie besucht. Ich hatte sie nur gesehen, wenn ich sie besucht hatte oder wenn sie an hohen Festtagen meine Tante und meinen Onkel aufgesucht hatten.
Oben in der Lehrlingskammer – die eigentlich nicht mehr meine war – zog ich die neuen Sachen an, auch die Stiefel. Dann legte ich den Umhang ordentlich zusammen und verstaute ihn im Tornister. Meine alte Kleidung schnallte ich außen darauf. Diese konnte ich daheim zurücklassen, falls es wirklich mein Heim war. Außer den neuen Kleidungsstücken und dem Tornister war der Stab das einzige, was sich richtig anfühlte.
Als ich noch einen letzten Blick in die Kammer warf, fragte ich mich, was aus meinem Armstuhl werden würde … und meinem Werkzeug. Mein Werkzeug? Onkel Sardit hatte zwar gesagt, er werde darauf aufpassen, aber nicht wie.
Ich fand Onkel Sardit in der Werkstatt. Er betrachtete eine Truhe, die ich zuvor schon gesehen hatte.
»Ich habe gedacht, ich bewahre dein Werkzeug in dieser Truhe auf, Lerris, bis … nun, was auch immer.«
»Das wäre sehr nett, Onkel Sardit … und könntest du auch für den Armstuhl einen Platz finden?«
»Ich wollte ihn hier behalten, aber ich könnte ihn auch zu deinen Eltern schaffen.«
Aus irgendeinem Grund war mir nie der Gedanke
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