Magische Verführung
»Selbst damals habe ich ihn schon begehrt.«
»Ja, aber als Mädchen, nicht als Frau.« Sadie drückte ihr einen Kuss auf die Stirn. »Für ihn muss es richtig hart gewesen sein. Du warst ja noch ein Kind, und er hätte dich nie angefasst. Aber er war auch ein Mann, und der Leopard wusste, dass du seine Gefährtin bist.«
Allmählich begriff Tamsyn, was ihre Mutter ihr sagen wollte. »Er musste lernen, seinen Paarungstrieb zu unterdrücken, warten, bis ich alt genug bin.« Zum ersten Mal konnte sie nachvollziehen, welche Qualen es Nate gekostet haben musste. »Und mit einer anderen Frau konnte er auch nicht zusammen sein.«
»Gefährten betrügen einander nicht.« Sadie seufzte. »Das ist an sich ja auch gut so, aber wenn das Timing nicht stimmt, dann kann es schon mal schwer werden. Aber verstehst du ihn denn jetzt endlich? Er begehrt dich ebenso wie du ihn, nur dass er Jahre Zeit hatte, seinen Willen zu stärken und gegen das Bedürfnis anzugehen.«
»Er wird ein Wächter sein, Mom«, sagte sie stolz und ein wenig ängstlich. »Du weißt doch, aus welchem Holz Wächter geschnitzt sind. Nate hatte schon immer einen eisernen Willen, auch schon vor unserer Verbindung. Ich wette, dass er mittlerweile so gut wie unerschütterlich ist.« Tamsyn presste ihre Hände auf ihr schmerzendes Herz.
Eigentlich sollte sie hier instinktiv Nates Nähe spüren, doch irgendwie war es ihm gelungen, diese Verbindung zu unterbrechen. Wieder und wieder streckte sich ihr Leopardenherz nach ihm aus ... doch jedes Mal prallte sie gegen eine undurchdringliche Mauer.
»Mein armer Schatz!« Sadie tätschelte ihrer Tochter mitfühlend die Schulter. Tamsyn setzte sich auf und wischte sich die letzten Tränen aus den Augen. »Hör mir zu!« Ihre Mutter sah sie voller Liebe an. »Vielleicht ist Nates Wille unerschütterlich, aber nicht für dich. Du bist seine Gefährtin. Du hast eine direkte Verbindung zu seiner Seele.«
»Aber er hört mir ja gar nicht zu! Er hat sich in den Kopf gesetzt, dass wir warten und warten und warten ...«
Tamsyn schüttelte den Kopf und ließ entmutigt die Schultern hängen. »Und ich weiß genau, dass er dabei nicht Monate, sondern Jahre im Kopf hat.« So lange konnte sie einfach nicht mehr warten! Das würde sie nicht aushalten.
Sie war keineswegs hysterisch, doch der mangelnde Körperkontakt zu Nate und das ungestillte Verlangen ihrer Leopardin bereiteten ihr körperliche Schmerzen. »Und ich bin nicht gerade eine Sexbombe, die ihn einfach so verführen könnte.« Die Worte waren heraus, noch bevor es ihr peinlich war.
»Du bist wunderschön!« In Sadies Stimme lag mütterlicher Stolz. »Du bist stark und mutig, und du hast Charakter.«
In den Augen eines Mannes machten sie diese Eigenschaften nicht gerade zum Superweib, aber das sagte Tamsyn ihrer Mutter lieber nicht. Ihre Hände waren die Hände einer Heilerin, ihr Haar schlicht braun, und ihre Augen ... na, ihre Augen waren nicht schlecht. Manchmal sahen sie aus wie dunkler Bernstein. Aber welcher Mann würde schon auf ihre Augen achten, wenn solche verführerischen Kurvenmodelle wie Juanita herumscharwenzelten? Sie selbst hingegen bestand nur aus langen Beinen und Knochen. Mehr Pferd als Leopard, dachte Tamsyn verdrossen.
»Wenn du jetzt aufgibst, wird es dir für immer leidtun«, sagte Sadie eindringlich. »Die ganzen langen, einsamen Jahre, die dann folgen werden. Und ihm würde es genauso gehen. Nathan glaubt, das Richtige zu tun, doch das Band zu unterdrücken wird euch beide umbringen.« »Wie komme ich an ihn ran?«
»Das musst du ganz allein herausfinden.« Ihre Mutter lächelte. »Aber ich werde dir mal einen Tipp geben: Er ist ein Mann, also behandle ihn auch wie einen.«
Zwei Stunden später hatte Tamsyn immer noch keinen Plan gefasst. Frustriert stampfte sie die Treppe hinunter, in der Hoffnung, ihre Eltern würden sie auf andere Gedanken bringen. Doch unten war keiner. Ihre Mutter hatte ihr eine Nachricht an der Haustür hinterlassen.
Dein Vater und ich machen einen kleinen Streifzug.
Übersetzt hieß das: Ihre Eltern ließen der Raubkatze freien Lauf und würden wer weiß wann zurückkehren.
»Na toll«, murmelte Tamsyn und tat sich selbst leid. Missmutig schleppte sie sich ins Wohnzimmer und wollte sich schon ganz ihrer schlechten Laune hingeben, da entdeckte sie auf dem Wohnzimmertisch eine Schachtel mit einer weiteren Notiz:
Tammy, vielleicht hast du ja Lust, ein wenig zu basteln (während du schmollst). Wir könnten ein paar
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