Magische Verführung
neue Ornamente gebrauchen.
Als sie die Schachtel öffnete, musste sie unweigerlich lächeln, denn sie enthielt selbst gemachten Weihnachtsschmuck. Jedes Jahr um die Weihnachtszeit hatte sie mit ihren Eltern gemeinsam Schmuck und Anhänger gebastelt, bis zu jenem Tag, als Lucas' Eltern auf schreckliche Weise ums Leben kamen und sie die Rolle der Heilerin übernehmen musste. In der Schachtel befanden sich silberne Pappengel, Perlenschnüre und wunderhübsche, detailreiche Anziehpüppchen. Aber am schönsten waren die bemalten Glaskugeln.
Jede dieser Kugeln war überaus sorgfältig mit Märchen- und Sagenmotiven bemalt. Die meisten hatten Tamsyn und ihre Mutter in stundenlanger Arbeit angefertigt, ihr Vater hatte sich damit zufriedengegeben, die
»Oberaufsicht« zu führen. Tamsyn lächelte. Jeder Anhänger barg eine liebevolle Erinnerung. Sie stieß auf eine Kugel mit einem jagenden Panther. Sie hielt inne.
Beim Heilen geht es nicht nur um gebrochene Knochen und Wunden, meine süße Tammy.
Tränen traten ihr in die Augen, als sie an Shaylas sanfte Stimme dachte. Wie Lucas war auch seine Mutter ein schwarzer Panther gewesen. Shayla war nicht nur ihre Mentorin, sondern auch ihre Freundin gewesen, eine Freundin, deren Rat sie schrecklich vermisste. Doch jetzt, in diesem Moment, kam es ihr vor, als stünde Shayla direkt neben ihr.
Es war das zweite Weihnachtsfest nach dem Überfall. Im letzten Jahr war niemandem nach Feiern zumute gewesen, doch vielleicht war es nun an der Zeit, ihre Familie und ihr Rudel von dem traumatischen Erlebnis zu heilen.
Selbst wenn Tamsyn ihre eigenen Wunden nicht zu heilen vermochte.
Sie legte die Stirn in Falten. »Schluss jetzt mit dem Gejammer!«, befahl sie sich selbst. Und zum Teufel mit der schlechten Laune! Sie würde sich von Nate nicht das Weihnachtsfest verderben lassen. Und das würde sie ihn auch wissen lassen.
3
Solias King war ein TP-Medialer, ein Telepath mit einer 8 auf der Skala. Mit seiner Stärke vermochte er, die Gedanken anderer zu kontrollieren. Solias hatte das in der Vergangenheit auch schon des Öfteren genutzt.
Schließlich konnte man sich in der Politik keine allzu hohen moralischen Prinzipien leisten.
Sein derzeitiges Vorhaben ließe sich auch viel leichter mithilfe seiner telepathischen Fähigkeiten umsetzen.
Leiderwaren die Gestaltwandler so gut wie resistent gegenüber jeglicher Art von Gedankenmanipulation. Vielleicht würde es ihm gelingen, einen von ihnen unter seine Kontrolle zu bringen - und das auch nur mit größter Mühe.
Aber mit dem gesamten DarkRiver-Rudel könnte er es nie aufnehmen. »Das wird auch nicht nötig sein.«
»Sir?«, fragte Kinshasa Lhosa, sein Sohn und rechte Hand.
»Nichts von Belang. Hast du die Einzelheiten?«
»Ja.« Kinshasa reichte ihm die Ausdrucke. Obgleich er erst achtzehn Jahre alt war, war er überaus tüchtig. Solias hatte gut daran getan, einen Fortpflanzungsvertrag mit Kinshasas Mutter einzugehen, einer TP-Medialen der Stufe 7. Sowohl Kinshasa als auch das zweite Kind aus diesem Vertrag erreichten hohe Werte auf der Skala und versprachen, mächtige Mediale zu werden.
»Gib mir eine Kurzfassung.«
Kinshasa brauchte beim Sprechen nicht auf seine Aufzeichnungen zu gucken. Seine Haut war dunkel und makellos.
»Das Land ist ideal für deine Zwecke. Du kannst dort eine Kommunikationszentrale und ein Büro errichten und von da aus weiter expandieren.«
»Was ist mit den Leoparden?« Solias traute Kinshasa nicht -er traute niemandem, nicht einmal seinem eigen Fleisch und Blut. Aber der Junge hatte sich bei den Nachforschungen geschickt angestellt. »Wird uns das Rudel Scherereien machen?«
»Nein«, erwiderte Kinshasa, aus seiner Stimme klang die kalte Leere von Silentium. »Das DarkRiver-Rudel ist klein und hat keine nennenswerte Präsenz. Wenn wir uns mit den SnowDancer-Wölfen anlegen würden, sähe die Sache anders aus. Die sind wesentlich aggressiver.«
Aus diesem Grund hatte Solias auch davon abgesehen, Wolfsland zu »erwerben«. »Triff alle nötigen Vorkehrungen für die Erschließung.« Diese Leoparden, Sklaven ihrer Gefühle, stellten offensichtlich keine Gefahr dar.
»Ja, Sir.« Kinshasa hielt inne. »Es gibt da noch etwas.«
»Ja?«
»Der Rat der Medialen bittet um ein Treffen mit dir.«
Solias nickte. »Lass mir die Einzelheiten zukommen.« Der Rat interessierte sich wahrscheinlich für seine politischen Ziele - bei einem Machtwechsel hatte der Rat ein Wörtchen mitzureden. Wenn Solias seine
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