Magische Verführung
Trümpfe geschickt ausspielte, würde er vielleicht bald nicht nur in San Francisco das Sagen haben, sondern auch in den Rat aufsteigen.
Die Ratsmitglieder würden seinen harten Kurs im Umgang mit den Tieren bestimmt gutheißen. Und wenn am Ende ein paar Leoparden dabei draufgingen, umso besser.
4
Nathan hatte sich unter dem eisigen Wasserfall halb zu Tode gefroren, und die Sonne war schon längst untergegangen, als er Tamsyns Fährte aufnahm. Das Problem war nicht, sie zu finden; eigentlich wusste er ja, wo sie war. Vielmehr befürchtete er, sich ihr gegenüber wieder dumm zu verhalten. Und zum Beispiel: »Was zum Teufel machst du da oben?« zu brüllen.
Tamsyn stand in menschlicher Gestalt hoch oben im Baum, ihre Augen glühten in der Dunkelheit. Wenn er sie dort oben auf dem Baum in Leopardengestalt gefunden hätte, hätte er sich nicht weiter aufgeregt. Das wäre normal gewesen. Für eine Frau mit einer Lichterkette um die Schultern konnte man das Gleiche leider nicht sagen.
Verächtlich schnaubend schlang sie die Lichterkette um die Äste.
»Tamsyn, eins verspreche ich dir«, stieß er hinter zusammengebissenen Zähnen vor und lief unter ihr her, so dass er sie notfalls würde auffangen können, »wenn ich da erst hochkommen muss, um dich runterzuholen, bekommst du eine Tracht Prügel, die sich gewaschen hat!«
»Du willst mich doch nicht anrühren, Nathan Ryder«, rief sie. »Das ist doch unser Problem, soweit ich weiß.«
Natürlich hatte sie recht. Lieber würde er sich die Hand abhacken, als ihr wehzutun. »Also gut.« Er fuhr die Krallen aus und machte sich bereit, den Baum zu erklimmen, um sie in Sicherheit zu bringen.
»Wage es ja nicht, meinen Weihnachtsbaum zu ruinieren.«
Er stutzte. »Deinen was?« Die Tanne war so hoch, dass sie bis in die nächtlichen Wolken hineinzureichen schien.
Nur eine Verrückte würde versuchen, solch einen Baum zu schmücken. Doch anstatt Tamsyn zu fragen, ob sie nun von allen guten Geistern verlassen war und sich dafür den Kopf abreißen zu lassen, wies er sie lieber auf etwas anderes hin. »Weihnachten ist doch erst in ein paar Wochen.«
»Das ist ein großer Baum.« Unbeirrt balancierte sie weiter über den Ast, um die Lichter aufzuhängen. »Wenn du schon bleiben musst, dann mach dich wenigstens nützlich, und dekorier die andere Seite. Unten in der Kiste sind noch mehr Lichterketten. Du beleidigst meine Katze, wenn du hier den Fänger spielst.«
Ihre Leopardin war flink und würde schon dafür sorgen, dass sie immer auf die Füße fiel, da musste er ihr zustimmen. Nate blickte zu Boden und bereute es sogleich. »Wo hast du denn all die Lichter her?« Er griff sich die schwerste Kette, wickelte sie um den Arm und machte sich an den Aufstieg.
»Große Weihnachtsbäume sind schön.«
»Das Licht wird die Medialen anziehen wie die Motten.« Die anderen Völker wussten nichts von den geheimen Höhlen und Horsten des Rudels. So schützten sich die Leoparden vor den Übergriffen der machthungrigen Medialen. »Willst du, dass alle Welt unseren Versammlungsort kennt?«
»Für wie blöd hältst du mich eigentlich?« Die Birnen sind besonders schwach, die werden nicht mal bis zur Krone durchscheinen und auch von Wärmekameras nicht erfasst.«
Er fragte sich, ob ihr Wahnsinn wohl ansteckend war. »Ich fasse es einfach nicht, dass ich mit dir dieses Gespräch führe! Es ist schon zehn Uhr.«
»Wenn du ins Bett musst, bitte, ich halte dich nicht zurück.«
Ihr Sarkasmus brachte ihn zum Grinsen. Sein Leopard war gerne in Tamsyns Nähe, ganz gleich in welcher Stimmung sie war. Im Grunde schätzte er auch ihre Krallen, denn kein Leopard wollte eine schwache Gefährtin.
»Und was planst du danach? Gigantische Halloween-Kürbisse? Vielleicht können wir damit die Wölfe verjagen?«
»Gute Idee.« Ihr Schmunzeln war unüberhörbar. »Solltest du jetzt nicht wichtigem Wächterkram nachgehen?«
»Offiziell bin ich ja noch gar kein Wächter.« Obgleich er Cian schon so gut wie abgelöst hatte; der alte Wächter stand jetzt zunehmend Lachlan als Berater zur Seite und bildete den jungen Lucas aus. »Ich habe heute Abend frei.«
»Was machst du denn hier? Hat Juanita etwa keine Zeit?«
Er ließ ein wütendes Knurren ertönen. »Wirfst du mir etwa vor, dass ich dich betrüge?«
»Wo nichts ist, kann man schlecht betrügen.«
»Tamsyn!« Doch dann fiel dem Leoparden etwas auf: »Du bist immer noch auf eine Beziehung eifersüchtig, die schon vor Jahren vorbei war.« Er
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