Magisches Erbe
anprangerten, die solche Taten auch nur in Erwägung zogen.
»Darf ich ein bisschen in den Büchern stöbern?«, fragte ich ihn. »Ich meine, ich weiß, dass ich nicht den ganzen Nachmittag hier sitzen und lesen kann, aber da ist so viel Geschichte … ich möchte einfach ein Teil davon sein. Ich wäre unendlich dankbar dafür.«
Ich hatte wirklich nicht damit gerechnet, dass es zwei Mal funktionieren würde, aber das tat es.
»Okay.« Er deutete auf ein kleines Büro am Ende des Raumes. »Ich muss noch ein bisschen Arbeit nachholen. Wollen wir uns in einer Stunde wieder hier treffen?«
Ich bedankte mich überschwänglich bei ihm und kehrte dann zu dem Touchscreen zurück. Ich sehnte mich danach, die Magiebücher zu erkunden, aber deswegen war ich ja schließlich nicht hier. Solange ich im Archiv war, konnte ich eigentlich auch einige Recherchen machen, die unserer Sache dienen mochten. Ich blätterte durch die Menüs, bis ich die Abteilung über die Frühgeschichte der Alchemisten fand. Ich hatte gehofft, einen Verweis auf Vampirjäger im Allgemeinen oder die Krieger im Besonderen zu entdecken. Aber – kein Glück. Das Beste, was ich tun konnte, bestand darin, den Codes zu den Regalen zu folgen, in denen Literatur zur Gründung unserer Gruppe zu finden war. Die meisten der Bücher waren eng geschrieben, in einem antiquierten Stil. Die wirklich alten waren noch nicht einmal auf Englisch.
Ich überflog einige Bände und merkte bald, dass eine solche Aufgabe länger als eine Stunde dauern würde. In den neueren Büchern wurden die Krieger nicht mehr erwähnt, was mich keineswegs überraschte, da diese Information jetzt unterschlagen wurde. Falls ich irgendwelche Hinweise auf Vampirjäger finden wollte, würden sie in den älteren Büchern stehen. Sie enthielten so gut wie gar keine Inhaltsverzeichnisse oder Register, und ich konnte unmöglich ein Buch von vorne bis hinten durchlesen. Als mir meine eigentliche Mission hier wieder einfiel, stellte ich die Bücher nach etwa zehn Minuten zurück und ging zu Ian. Die Anspannung kehrte wieder, und mir brach der Schweiß aus.
»Hey, gibt es hier eine Toilette?«
Ich betete, dass es keine gab. Ich hatte eine im Flur gesehen, als wir auf dieser Etage angelangt waren. Ein Teil meines Planes hing davon ab, aus dem Archiv herauszukommen.
»Den Flur runter, neben der Treppe«, antwortete er. Irgendein Problem hatte seine Aufmerksamkeit erfordert, und wenn ich weiterhin Glück hatte, würde es ihn vom Blick auf die Uhr abhalten. »Klopf an die Tür, wenn du zurückkommst. Ich sage den Schreibern Bescheid, dass sie dich hereinlassen sollen.«
Mir war den ganzen Tag schon schlecht vor Angst gewesen, doch ich hatte versucht, es zu ignorieren. Jetzt kam ich aber nicht mehr daran vorbei. Es war Zeit für das Unvorstellbare.
Feinheiten spielten für die Alchemisten bei der Sicherheit keine Rolle. An beiden Enden des Flurs waren Kameras angebracht. Sie hingen sich gegenüber und machten eine lang gestreckte, fortlaufende Aufnahme des Korridors. Die Toiletten befanden sich am einen Ende des Flurs, fast genau unter einer Kamera. Ich ging in die Damentoilette und überzeugte mich davon, dass sich dort keine anderen Besucher – oder Kameras – befanden. Zumindest ließen die Alchemisten eine gewisse Privatsphäre zu.
Das Weben des Unsichtbarkeitszaubers war einfach. Hinauszugelangen mochte etwas schwieriger sein. Die Toilettentür war wandbündig montiert, weshalb die Kameras von ihren Positionen aus vermutlich keinen guten Blick darauf erhielten. Die Tür öffnete sich nach innen, daher konnte ich hinausschlüpfen und sicher sein, dass keine Kamera das gespenstische Öffnen einer Tür eingefangen hatte. Das eigentliche Problem war die Tür zur Treppe. Sie befand sich in Reichweite einer der Kameras. Ms Terwilliger hatte mir erklärt, dass mich der Unsichtbarkeitszauber vor Videos und Filmen schützen werde. Ich hatte also keine Angst, entdeckt zu werden. Ich brauchte nur das Risiko einzugehen, dass die Kamera aufzeichnete, wie die Tür von allein aufging.
Obwohl ich wusste, dass Wachleute Liveübertragungen der Kameras verfolgten, gab es zu viele davon, um jede Sekunde mitzubekommen. Wenn keine plötzliche Bewegung auf dem Monitor dieser Kamera zu sehen war, würde vermutlich keinem Wachposten etwas auffallen. Und falls auf dieser Etage alles ruhig blieb, würde niemand einen Grund haben, die Aufnahmen noch einmal durchzusehen. Aber auf der Etage mit den Aufzeichnungen … na
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