Magisches Erbe
stimmte mit einem guten Teil der Botschaft überein, aber sie erfüllte mich nicht mehr mit dem gleichen Feuer wie früher. Und als sich der Hierophant immer weiter und weiter über Pflicht und Gehorsam verbreitete und über das, was »natürlich« sei, fühlte ich mich allmählich wirklich nicht mehr als Teil der Alchemisten. Ich wünschte beinahe, es würde wie bei einem normalen Gottesdienst mehr über das Göttliche gesprochen werden. Bei allem, was in meinem Leben los war, hätte ich nichts gegen die Verbindung mit einer höheren Macht gehabt. Als ich dem Hierophanten so zuhörte, fragte ich mich manchmal, ob das, was er sagte, nicht einfach im Mittelalter von ein paar Leuten erfunden worden war. Ohne jedes heilige Mandat.
Als der Gottesdienst zu Ende ging, fühlte ich mich wie eine Verräterin. Vielleicht war Adrians Scherz richtig gewesen: Ich brauchte Marcus nicht einmal, um meine Tätowierung und meine Verbindung zu der Gruppe zu brechen. Als ich meine Begleiter betrachtete – und auch die anderen Alchemisten im Saal –, war mir klar, dass ich allein stand. Sie alle wirkten wie gebannt von der Predigt, hingebungsvoll der Sache verschrieben.
Ich fühlte mich erneut auf unheimliche Weise an die Krieger und ihre fanatische Hingabe erinnert. Nein, nein, was auch immer die Alchemisten sonst an Schuld auf sich geladen haben, wir haben nichts mit dieser Art von gestörtem Verhalten zu tun. Und doch … mir wurde klar, dass es noch komplizierter war. Die Alchemisten schossen nicht zuerst und fragten später oder brachten auch nicht die Mitglieder gegeneinander auf. Wir waren kultiviert und verhielten uns logisch, aber wir hatten durchaus die Neigung, nur das zu tun, was uns gesagt wurde. Das war die Ähnlichkeit, und sie konnte gefährlich sein.
Zoe und mein Vater gingen mit Ian und mir hinaus. »Ist es nicht großartig?«, fragte sie. »Als ich das gehört habe, war ich so froh, dass Dad beschlossen hat, noch eine Alchemistin in der Familie großzuziehen. Es ist gut, wenn wir mehr werden.«
War das wirklich sein Grund gewesen? Oder lag es daran, dass er mir nicht traute, nachdem ich Rose geholfen hatte?
Es machte mich wütend, dass es in dem einzigen Gespräch, das ich mit Zoe führen konnte, nur um alchemistische Rhetorik ging. Aber das war mir noch lieber als das Schweigen der letzten paar Monate. Im Herzen sehnte ich mich danach, so mit ihr zu sprechen wie früher. Das wollte ich zurückhaben. Obwohl sie ein bisschen aufgetaut war, war die alte Vertrautheit, die einst zwischen uns geherrscht hatte, ganz verschwunden.
»Ich wünschte, wir hätten mehr Zeit«, sagte ich zu ihr, als wir uns auf dem Parkplatz voneinander verabschiedeten. »Es gibt so vieles, worüber ich gern mit dir reden würde.«
Sie lächelte, und in diesem Lächeln lag eine Aufrichtigkeit, die mich erwärmte. Vielleicht war die Distanz zwischen uns gar nicht so irreparabel. »Ich auch. Tut mir leid wegen … na ja, was war. Ich hoffe, dass wir bald mal wieder mehr Zeit zusammen haben. Ich … ich habe dich vermisst.«
Das hätte mir beinahe den Rest gegeben, wie ihre Umarmung auch. »Wir werden uns bald sehen, ich verspreche es.«
Ian – den mein Vater jetzt als zukünftigen Schwiegersohn zu betrachten schien – fuhr mich zu meinem Hotel zurück und konnte nicht aufhören, davon zu schwärmen, wie toll es gewesen sei, Jared Sage kennenzulernen. Was mich betraf, so spürte ich immer noch, wo Zoe mich umarmt hatte.
Ian versprach, dass er sich am Morgen wegen einer Führung durchs Archiv bei mir melden werde. Dann schloss er seltsamerweise die Augen und beugte sich vor. Ich brauchte einen Moment, um zu begreifen, dass er einen Gute-Nacht-Kuss erwartete. War das sein Ernst? So ging er dabei vor? Hatte er überhaupt schon mal jemanden geküsst? Selbst Brayden hatte etwas mehr Leidenschaft gezeigt. Und natürlich konnte keiner der beiden Adrian das Wasser reichen.
Als ich nichts tat, öffnete er schließlich wieder die Augen. Ich umarmte ihn noch einmal – wobei ich den Mantel anbehielt – und sagte ihm, wie glücklich ich sei, dass er meinen Dad kennengelernt habe. Das schien ihn zufriedenzustellen.
Sobald ich später eingeschlafen war, machte Adrian sein nächtliches Check-in bei mir. Natürlich wollte er Details über das Kleid hören. Außerdem versuchte er ständig herauszufinden, wie genau ich Ian rumgekriegt hatte, und die wenigen Details, die ich ihm zu nennen beschloss, schienen ihn zu amüsieren. Aber die meiste Zeit über
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