Magisches Spiel
wiegst eine Tonne.«
Er sah lediglich auf sie hinunter, ohne darauf zu reagieren. In seinen blauschwarzen Augen sah sie Glut und eine ungezügelte Lust, die ihr Herz hämmern ließ, doch dann blinzelte er, und seine Augen waren wieder ausdruckslos und hart, und sie konnte unmöglich etwas darin erkennen. Er stand auf, zog sie mit sich hoch und hielt sie fest, bis er sicher war, dass sie aus eigener Kraft stehen konnte.
Tansy klopfte den Staub von ihrer Jeans, rieb dann mit ihren Handflächen ihre Oberschenkel und sah sich nach der Sonnenbrille um, die ihr aus dem Gesicht geflogen war, als die Katze sich auf sie geworfen hatte. »Danke, dass du mich nicht erschossen hast.« Sie würde ihm gegenüber niemals zugeben, dass sie vor ihn gesprungen war, um sein Leben zu retten. Das kam überhaupt nicht infrage. Zu einem wesentlich späteren Zeitpunkt, wenn er nicht in der Nähe war und sie verwirrte, würde sie ihre Motive einer gründlichen Untersuchung unterziehen, aber für den Moment würde sie es darauf zurückführen, dass sie ein Menschenleben hatte retten wollen.
»Du hast verflucht Glück gehabt.«
Sie nickte. »Das weiß ich, und ich weiß es wirklich zu schätzen, dass du so prompt reagiert hast.«
»Wirst du mir sagen, wie du es geschafft hast, aus der Hocke so schnell über mich zu springen?«
Tansy zuckte die Achseln. »Ich weiß nicht, wie ich Dinge tue. Ich tue sie einfach.« Es gab vieles an ihr, was sich nicht erklären ließ.
»Hast du jemals von einem Mann namens Peter Whitney gehört?«
Sie blinzelte. Ihr Gesicht wurde ausdruckslos, als sie den Boden nach ihrer Sonnenbrille absuchte und sich damit Zeit zum Nachdenken gab. »Ich glaube, die meisten Menschen in wissenschaftlichen Kreisen haben von Dr. Whitney gehört«, antwortete sie behutsam, während sie ihre Brille unter einem Strauch hervorzog und sie an ihrem Hemd abwischte. »Ich glaube, er wurde ermordet.« Sie sah ihm fest in die Augen, damit er sehen konnte, dass sie das, was sie sagte, genauso meinte. »Falls du ein Beweisstück gefunden hast, das ich für dich abtasten soll, kann ich es nicht tun.«
»Du glaubst wirklich, dass er tot ist?«
Tansy zog die Stirn in Falten. »Das kam doch ganz groß in den Nachrichten. Er ist verschwunden, und alle dachten, er wäre ermordet worden, richtig?«
Kaden schüttelte den Kopf. »Nein, er ist am Leben.«
»Das ist ganz ausgeschlossen. Meine Eltern kannten ihn recht gut. Wenn er am Leben wäre, wüssten sie es.«
»Wie gut ist recht gut? Waren sie miteinander befreundet?«
Tansy zuckte die Achseln. »Niemand war wirklich mit Dr. Whitney befreundet. Sie waren Kollegen, und sie haben sich gegenseitig respektiert. Mein Vater und Dr. Whitney sind gemeinsam zur Schule gegangen, und sie hatten viele gemeinsame Interessen.«
»Warst du eines davon?«, fragte Kaden.
Tansys Lippen wurden schmaler. Sie drängte sich an ihm vorbei und stieg wieder auf dem Pfad nach oben. »Ich finde, dieses Gespräch hat lange genug gedauert. Mir wird das zu persönlich, und ich weiß bisher noch nicht einmal, was du willst. Ich habe heute Nacht zu tun und muss vor der Arbeit etwas essen. Falls du mitkommst, sollten wir uns jetzt in Bewegung setzen.«
Kaden lief dicht hinter ihr her und war auf der Hut, für den Fall, dass von der Großkatze weiterhin eine Bedrohung ausging. Er suchte nicht nur ständig mit seinen Blicken die Umgebung ab, sondern setzte auch alle anderen Sinne ein, um Informationen zu erhalten. »Dr. Whitney hat vor etwa fünfundzwanzig Jahren Experimente an Kindern durchgeführt. Er hat kleine Mädchen aus verschiedenen Waisenhäusern in aller Welt geholt. Er war auf der Suche nach ganz speziellen Talenten, nach weiblichen Babys mit übersinnlichen Gaben.«
Tansy kletterte weiter, während das Getöse in ihrem Kopf den Puls an ihren Schläfen hämmern ließ. Sie zählte. Zehn Schritte.
»Er hat sämtliche Mädchen nach Blumen benannt. Tansy, also Rainfarn, ist ein Korbblütler, der in Europa und Asien wächst.«
Fünfzehn Schritte.
»Er hat die übersinnlichen Anlagen dieser Mädchen gesteigert und viele von ihnen auch genetisch weiterentwickelt. Als er die Filter in ihrem Gehirn entfernt hat, hat er sie auch für emotionalen Ballast geöffnet. Viele haben Schwierigkeiten im gesellschaftlichen Alltag. Die meisten können überhaupt nicht unter Menschen sein. Sie leiden häufig unter Kopfschmerzen und Nasenbluten. Bei zu
großer Reizüberflutung sind Anfälle an der Tagesordnung. Manche
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