Magma
erwartet. Trotzdem konnte sie ein Gefühl des Grauens nicht unterdrücken, als der markante Umriss auf dem Monitor erschien.
»Wieder eines von diesen Dingern«, sagte Ella. »Tausende von Kilometern entfernt steckt es im Erdreich, nur darauf wartend zuzuschlagen. Geben Sie’s zu. Sie haben doch auch damit gerechnet.«
»Natürlich.«
Sie verzog den Mund zu einem schmalen Lächeln. »
Natürlich
. Wieso frage ich auch? Sie wissen ja immer alles im Voraus.« Sie verschränkte die Hände vor der Brust und begann langsam auf und ab zu gehen. »So weit, so gut«, sagte sie, tief in Gedanken versunken. »Jetzt haben wir es also mit drei von diesen Dingern zu tun. Obwohl unterschiedlich in ihrer Größe, haben sie alle dieselben schlechten Angewohnheiten. Sie verändern ihre Schwerefelder, und die Erde beginnt zu beben. Als ob das nicht schon ungewöhnlich genug wäre, befinden sich die Dinger offenbar schon seit etlichen Millionen Jahren hier auf der Erde. Wie zum Teufel sind die hierhin gelangt? Wurden sie vergraben, und wenn ja, von wem? Oder sind sie vom Himmel gefallen wie Samenkörner von einem Baum? Und die Frage, die über allen steht: Gibt es noch mehr davon? Es muss doch irgendwo Berichte darüber geben, irgendwelche Dokumente. Ich halte es für schwer vorstellbar, dass sie bisher noch nicht entdeckt wurden.« Das viele Nachdenken verursachte ihr Kopfschmerzen. Vielleicht waren es ja doch die Nachwirkungen des Jetlags. Sie massierte ihre Stirn mit den Fingerspitzen. »Warum jetzt? Warum fangen diese Dinger mit einem Mal an zu ticken? Was war der Auslöser? Ich kann mir nicht vorstellen, dass das ein Zufall ist.« Sie deutete mit ihrem Finger auf ihren Kollegen. »Konrad, wir müssen heute Abend unbedingt eine Videoschaltung in die Schweiz legen. Madame Kowarski sollte so schnell wie möglich von der neuen Entdeckung in Kenntnis gesetzt werden.«
Der Professor griff in seine Jackentasche, zog eine Zigarre heraus und begann sie umständlich zu präparieren. Als er sie anzündete, lächelte er schmal. »Sehen Sie«, sagte er, »endlich fangen Sie an, die richtigen Fragen zu stellen.«
30
E lla, wo bist du?
Seit Tagen versuche ich schon, dich zu erreichen, doch niemand sagt mir irgendetwas. Ich werde hier langsam wahnsinnig. Wenn du nicht mit mir reden möchtest, verstehe ich das. Aber eine kurze Nachricht, wo du bist und wie es dir geht, ist doch nicht zu viel verlangt. Eigentlich würde ich lieber mit dir telefonieren. Ich verabscheue E-Mails, sie sind so unpersönlich, aber besser als gar nichts.
Mittlerweile bin ich wieder in Washington eingetroffen, und obwohl ich noch für mehrere Wochen krank geschrieben bin, zieht es mich immer wieder ins Institut. Es passiert gerade so viel, dass ich es einfach nicht zu Hause aushalte. Du weißt sicher, wovon ich rede. Täglich muss ich an dich denken – an uns. Wenn ich nur wüsste, dass es dir gut geht, könnte ich wieder ruhig schlafen. Gib mir ein Lebenszeichen – nur eines, dann werde ich dich nicht weiter belästigen.
In Liebe, dein Joaquin
Das Innere des Zeltes war in ein mystisches Halbdunkel getaucht, spärlich beleuchtet von einem Notebook, dessen Monitor kalte Schatten auf die Stoffwände warf. Ella speicherte die Mail und beendete das Programm. Tief in Gedanken versunken starrte sie auf den eintönig blauen Bildschirmhintergrund. Dies war nun schon die dritte Mail von Esteban, nicht eine davon hatte sie bisher beantwortet. Irgendetwas hatte sie bisher davon abgehalten. War es gekränkte Eitelkeit oder steckte noch mehr dahinter? Vielleicht Misstrauen? Immerhin war er ihr gegenüber in mehr als nur einer Hinsicht unaufrichtig gewesen. Vielleicht plagte sie auch das schlechte Gewissen. Zugegeben, sie fühlte sich mitverantwortlich für das, was geschehen war. Wäre sie an Bord der
Shinkai
nicht so verdammt vorgeprescht, Joaquin wäre noch im Besitz seines Arms. Vielleicht lag es daran, dass sie seine Gefühle teilte und es sich nicht eingestehen wollte. Sie ahnte, dass diese Erklärung die wahrscheinlichste war, nur wollte sie seine Gefühle nicht erwidern, nein, sie
durfte
es nicht. Nicht jetzt, nicht hier. Sie musste ihr letztes bisschen Verstand beisammenhalten, wollte sie die Rätsel aufklären, die sich wie ein Berg vor ihr auftürmten. Vielleicht hatten Esteban und sie eine Chance, wenn alles vorbei war. Vielleicht …
Sie hob den Kopf und aktivierte das Skype-Programm. Helène wartete seit einer halben Stunde auf ihren Rückruf, und sie war
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