Magma
funktionieren, würde es uns vielleicht leichter fallen, ihre Position zu bestimmen. Ich meine, das kann doch kein Zufall sein, dass diese Dinger auf einmal alle zu ticken anfangen.«
»Das Ticken ist nur eine von vielen Merkwürdigkeiten.«
»Was meinen Sie damit?«
Helène zuckte zurück. »Ach nichts. Uns ist noch etwas anderes aufgefallen, aber das braucht Sie nicht zu kümmern.«
Ella ließ nicht locker. Sie spürte, dass ihre Auftraggeberin sich verplappert hatte. »Was meinen Sie damit, Ihnen ist etwas aufgefallen? Heraus mit der Sprache.«
Helène Kowarski versank für einen kurzen Moment in Gedanken. Dann zuckte sie mit den Schultern. »Ach, was soll’s. Ich wollte Sie nicht beunruhigen, aber wahrscheinlich ist es besser so. Die Nachricht hat uns schier umgehauen, als wir sie erfahren haben.«
»Was erfahren? Spannen Sie mich doch nicht so auf die Folter, Helène.«
»Die Kugeln fangen an, sich zu synchronisieren.«
Eine Pause trat ein.
»Sie tun
was?«
»Sie synchronisieren sich. Sie fangen an, im selben Takt wie der große Brocken im Marianengraben zu schlagen.«
»Und das bedeutet …?«
»Haben Sie noch nie davon gehört, was passiert, wenn eine Truppe von Soldaten im Gleichschritt über eine Brücke marschiert?«
Jetzt begann es Ella zu dämmern. »Wollen Sie damit sagen …?«
»Genau das. Die Kugeln beginnen ihre Schläge anzugleichen. Aus den vielen kleinen Wellen, die kreuz und quer über die Erdoberfläche rasen, wird eine einzige große Welle. Eine
stabile
Welle. Was das bedeutet, dürfte Ihnen ja wohl klar sein.«
»Die Brücke bricht zusammen.«
»Genau das. Kollaps. Totaler Exitus.«
»Großer Gott.«
»Eine äußerst Besorgnis erregende Entwicklung. Kompliziert wird die Sache noch dadurch, dass die Regierungen anderer Länder, wie z.B. die USA , Frankreich und Deutschland, jetzt ebenfalls aufmerksam geworden sind. Sie stehen im Begriff, eigene Teams zusammenzustellen. Sie können sich vorstellen, dass ich hier alle Hände voll damit zu tun habe, die Dinge nicht außer Kontrolle geraten zu lassen. Aber das sollte Sie im Moment nicht kümmern. Wenn Sie heute Abend noch Zeit finden, werfen Sie doch mal einen Blick in die Nachrichten.«
Ella atmete tief durch. »Das werde ich. Aber zuerst möchte ich wissen, wie es jetzt weitergehen soll. Unsere Forschungen am Atacama-Objekt sind noch nicht vollständig abgeschlossen. Wir brauchen noch etwa einen Tag für die Feinmessungen, und dann stellt sich die Frage, ob es nicht sinnvoll wäre, die Kugel freizulegen und zu Ihnen in die Schweiz zu bringen.«
Helène Kowarski schüttelte energisch den Kopf. »Nein«, sagte sie entschieden. »Nichts dergleichen. Solange wir nicht wissen, womit wir es zu tun haben, sollten wir alles so belassen. Machen Sie Ihre Feinabstimmung, und dann brechen Sie auf. Ich werde am Flughafen Instruktionen für Sie hinterlassen. Ich fürchte, ich muss Sie nach Sibirien schicken, in die Region Magadan. Es hat dort einen Zwischenfall gegeben, dem wir unbedingt nachgehen müssen.« Ein trauriges Lächeln umspielte ihren Mund. Ella glaubte, für einen Moment etwas Verletzliches im Gesicht ihres Gegenübers zu entdecken. Es flackerte kurz auf, verschwand dann aber sofort wieder.
»Es tut mir leid, Sie so herumzuscheuchen, aber ich habe hier alle Hände voll zu tun. Außerdem wüsste ich niemanden, den ich sonst schicken könnte.« Sie hob die Hand zum Abschied. »Leben Sie wohl, Ella, und passen Sie auf sich auf. Wir sehen uns hoffentlich bald wieder.« Sie drückte einen Knopf, dann wurde der Bildschirm schwarz. Ella beendete das Programm, klappte ihr Notebook zusammen und verließ das Zelt.
Die Luft war empfindlich kalt geworden. Über ihr glitzerten Millionen Sterne von einem wolkenlosen Nachthimmel auf sie herab. Ganz deutlich konnte man die Milchstraße erkennen, die sich wie ein silberner Gürtel von Horizont zu Horizont erstreckte. Von irgendwoher dudelte
Dreams
von Fleetwood Mac aus einem Kassettenrekorder.
Ella umrundete den Lastwagen und trat in den Schein eines großen Lagerfeuers. Es knackte und knisterte. Meterhohe Flammen schlugen in den Nachthimmel. Die Leute aus dem Rover-Team saßen auf Holzbänken um das Feuer und unterhielten sich leise. Konrad Martin sprach mit einer gut aussehenden, jungen Wissenschaftlerin. Ihren leuchtenden Augen war anzusehen, dass sie den hageren Mann anflirtete. Schwärme gelber Funken stiegen auf und vermischten sich mit dem Funkeln der kalt glänzenden Sterne.
Ella
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