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Magma

Magma

Titel: Magma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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worden sein.«
    »Hat denn niemand diese Dinger überprüft?«, rief jemand aus der hintersten Reihe. »Bei einigen von ihnen scheint es sich ja um mehr zu handeln als nur um Steinkugeln.«
    Der Archäologe atmete schwer, als habe er soeben einen Langstreckenlauf absolviert. »Nein. Warum auch?«, schnaufte er. »Es bestand ja zu keiner Zeit der Verdacht, dass es sich um mehr handeln könne als um Steinkugeln. Genauso gut könnte man jede Bergspitze auf der Erde überprüfen, ob es sich nicht vielleicht um eine geheime Raketenbasis handelt.«
    Helène erhob sich. »Das muss als Einleitung dienen. Ich danke Ihnen für den interessanten Überblick, Harry.« Sie entließ den Archäologen mit einer knappen Handbewegung. Dann richtete sie ihre Aufmerksamkeit auf Michelle Ourdai, die Leiterin der seismologischen Abteilung und eine ihrer engsten Vertrauten. »Wenden wir uns nun den Kugeln zu, die nicht dokumentiert wurden. Denen, die für das bloße Auge unsichtbar sind. Bitte, Michelle.«
    Die Frau, die sich nun erhob, mochte etwa so alt sein wie Helène, doch waren die beiden wie Feuer und Wasser. Michelle war eine lebenslustige Frau, die sich gern gut anzog und sich einen Spaß daraus machte, ihre Reize zur Geltung zu bringen. Obwohl sie auch schon über fünfzig war, verfügte sie über eine beachtliche erotische Präsenz. Michelles Affären waren legendär und hatten sie bis in die Betten hoher Regierungsbeamter gebracht. Sie liebte die Öffentlichkeit und vertrat die Interessen der Organisation bei jeder sich bietenden Gelegenheit. Wenn man Helène als Kopf der Gesellschaft bezeichnen konnte, so war Michelle der Bauch. Zusammen waren die beiden ein unschlagbares Team, und es gab nicht wenige, die behaupteten, dass die beiden eine lesbische Beziehung pflegten. Ein Skandal in der männerdominierten Welt der Wissenschaften. Einigen männlichen Kollegen, Elias Weizmann eingeschlossen, wäre ein solcher Tabubruch natürlich ein Dorn im Auge gewesen. Doch Helène war das Gerede egal. Wie und mit wem sie ihre Freizeit verbrachte, ging nun wirklich niemanden etwas an. Sie nickte ihrer Kollegin aufmunternd zu, worauf sich diese mit einem koketten Lächeln erhob. Eine Hauch
J’adore
von Dior umschmeichelte die Nasen der Anwesenden, als Michelle an ihnen vorbei zum Rednerpult ging. Vorn angekommen trank sie einen Schluck Wasser, setzte ihre Lesebrille auf und richtete dann das Wort an die Versammelten. »Liebe Freunde und Kollegen«, begann sie ihren Vortrag mit wohlklingender Stimme. »Ich darf wohl ohne Übertreibung behaupten, dass die letzten sieben Tage für viele von uns die aufregendsten unserer gesamten wissenschaftlichen Laufbahn waren. Die Flut von Daten, die von den weltweit verteilten Messstationen zu uns hereinströmte, drohte sogar eine Zeitlang unseren Zentralcomputer zu überfordern. Doch dank unseren Spezialisten von der Systemtechnik konnten wir das Problem rechtzeitig erkennen und Gegenmaßnahmen ergreifen. Meinen herzlichen Dank an unsere Computerspezialisten.« Sie zwinkerte Max Denheim zu, den frisch gekürten Chef der Informatikabteilung, der nach dem Tode von Andreas Schmitt das Ruder übernommen hatte. Denheims Gesicht bekam einen merklichen Rotstich. Mit dem Anflug eines Lächelns fuhr Michelle fort: »Das Bild, wie es sich uns nach Auswertung aller bisher bekannten seismischen Messungen darstellt, ist folgendes …« Sie drückte einen Knopf. Wieder verdunkelte sich der Raum, wieder wurde eine Weltkarte an die Wand projiziert. Ein Raunen lief durch den Raum. Waren es auf Wynhams Karte nur an die dreißig rot markierte Punkte gewesen, so waren es jetzt mehr als hundert. Wie eine Perlenschnur zogen sich die Orte hoher seismischer Aktivität rings um den Pazifik. Verbunden waren diese Punkte mit einem komplizierten Netzwerk von Linien und Wellen, die den Eindruck entstehen ließen, dass man es nicht mit singulären Ereignissen, sondern mit einem globalen Phänomen zu tun hatte. »Diese Karte wurde vor zwei Tagen erstellt«, erläuterte Michelle. »Die gelben Punkte zeigen die Orte, an denen Erdbeben gemessen wurden, die roten, wo die Erde bereits aufgebrochen ist. Wie Sie sehen können, war der überwiegende Teil bis vor kurzem noch gelb eingezeichnet. Und hier die Karte, die wir heute Morgen erstellt haben.« Helène hielt den Atem an. Das Bild hatte sich deutlich verändert. Aus beinahe allen gelben Punkten waren rote geworden. Hinzu kamen eine ganze Reihe Punkte, die vorher noch nirgendwo verzeichnet

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