Magma
sehen«, begann Wynham, »ist eine Übersicht über die Fundorte, die uns die archäologische Gesellschaft zur Verfügung gestellt hat. Auf dieser Karte sind alle Kugeln verzeichnet, die jemals dokumentiert wurden. Wie Sie sehen, befinden sie sich mehr oder weniger alle im pazifischen Raum. Wir haben bestätigte Funde auf den Aleuten …«, er deutete mit seinem Laserpointer auf die Beringsee, hoch oben im Norden, »… in Russland, Japan, Neuguinea, Australien und Neuseeland.«
Überall, wo er mit seinem Laserpointer länger verharrte, öffnete sich ein zusätzliches Fenster. Zu sehen waren Aufnahmen der betreffenden Objekte. In diesem Moment war es ein Bild, auf dem Dutzende regelmäßig bis unregelmäßig geformter Steinkugeln ins Meer hinausragten.
»Geben Sie uns mal ein Beispiel«, sagte Helène. »Was sehen wir da gerade?« Wynham, auf dessen verschwitzter Halbglatze sich das Licht des Projektors spiegelte, nestelte an seinem Jackett herum und förderte einen verknitterten Zettel zutage. Mit einem Blick über seine Brille hinweg, suchte er nach einem bestimmten Stichwort: »Ah ja, hier haben wir es ja. Was Sie hier sehen, sind die
Moeraki-Boulders
. Der Fundort befindet sich auf der Südinsel Neuseelands, einige Kilometer nördlich der Stadt Oamaru. Alter: sechzig Millionen Jahre. Der Maori-Legende zufolge handelt es sich um Kürbisse, die vom großen umherziehenden Kanu Araiteuru herunterfielen, als dieses vor etwa tausend Jahren mit dem Festland kollidierte. Oder so ähnlich. Ähnliche Legenden gibt es übrigens bei allen Ureinwohnern, bei denen diese Kugeln jemals gefunden wurden. Immer ist irgendeine Gottheit im Spiel, die irgendetwas verloren hat …« Er machte eine kurze Pause, doch niemand lachte über seinen Scherz. Wynham wischte sich über die Stirn. »Äh, nun … wenn wir weitergehen, kommen wir zu den Fundstellen in Chile, Ecuador und natürlich Costa Rica.« Ein weiteres Fenster öffnete sich. Einige der anwesenden Wissenschaftler beugten sich interessiert vor. Zu sehen war ein Park, in dem unzählige Kugeln in allen möglichen Größen herumlagen. Es waren dies die bisher am perfektesten geformten Sphäroiden, die sie bisher zu sehen bekommen hatten. Ihre Größe reichte von wenigen Zentimetern bis zu etwa zwei Metern Durchmesser – wie ein Vergleich mit Professor Wynham, der sich demonstrativ gegen eine Kugel stützte, verdeutlichte. Er trug einen Stetson und ein viel zu knapp sitzendes Oberhemd, bei dem jeden Moment die Knöpfe abzuspringen drohten. »Diese Aufnahme wurde im Park des Nationalmuseums in San José gemacht. Damit kommen wir schon zu einem großen Problem bei den Costa-Rica-Kugeln. Ursprünglich im Delta des Flusses Térraba beheimatet, wurden sie seit Anfang der dreißiger Jahre von Sammlern und Liebhabern über das ganze Land verteilt, sie dienten als Ausstellungsstücke in Museen, ja sogar als Zierrat für Vorgärten. Zwei haben sogar ihren Weg in die Vereinigten Staaten gefunden. Eine ins Peabody Museum für Archäologie in Harvard, eine andere ins Museum der National Geographic Society in Washington. Können Sie sich so etwas vorstellen? Was für eine Ironie.« Er gab ein glucksendes Lachen von sich. »Es sind etwa dreihundert Kugeln bekannt, die alle ihren Ursprung am Térraba haben. Zum damaligen Zeitpunkt haben sie in bestimmten Mustern gelegen und wurden von den Ureinwohnern zu astronomischen Zwecken genutzt. Leider wurden diese Strukturen für immer zerstört. Wie sie dorthin gekommen sind, darüber kann man nur spekulieren. Das Material, aus dem sie bestehen – eine extrem harte Form von Granodiorit –, ist in der Gegend nicht zu finden. Derzeitige Vermutungen gehen davon aus, dass sie von den Olmeken, einer präkolumbianischen Kultur, in den Bergen hergestellt und dann den langen Weg bis zum Meer transportiert wurden. Wie das vonstatten gegangen sein soll, das weiß bis heute niemand.«
»Reichlich spekulativ, das Ganze«, sagte Helène und deutete auf die Karte. »Welche Fundorte gibt es noch?«
»Da haben wir zum einen Kugeln am Rande des kalifornischen San-Andreas-Grabens und einige bestätigte Funde in Alaska, entlang des Küstengebirges. Darüber hinaus gibt es noch bestätigte Einzelfunde in der Antarktis, nahe dem Mount Jackson, am Hindukusch und auf Spitzbergen und auf Franz-Josef-Land. Nicht zu vergessen unsere Kugel unten im Labor. Diese Exemplare können aber – und da werden Sie mir zustimmen – unmöglich von den Olmeken dorthin geschafft
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