Magma
stammen, was sie aktiviert hat, geschweige denn, ob man sie irgendwie stoppen kann.«
»Oh, man kann sie stoppen, das ist ganz gewiss.«
Es wurde still im Saal. Alle blickten sich um.
Helène reckte ihren Hals. »Wer hat das gesagt?«
»Das war ich«, sagte Colin Filmore und erhob sich langsam aus seinem Stuhl.
»Colin?«
»Jawohl, Madame.« Sein junges Gesicht leuchtete vor Aufregung. »Deswegen habe ich mich ja verspätet. Ich glaube, bei unserer letzten Messung ist uns ein Durchbruch gelungen. Die Durchleuchtung mit Gammastrahlen hat einige interessante Details in der Kugel offenbart. Wenn ich kurz an die Tafel dürfte …?«
Helène konnte nicht anders, als Colin zu bewundern. Sich hier, vor den Mitgliedern sämtlicher Fakultäten so zu exponieren, dazu gehörte Mut. Seit dem Verschwinden von Professor Weizmann war der junge Mann in der Rangliste der Radiologen rasch aufgestiegen. Er war nun nicht mehr Assistent, sondern hatte eine Einstufung als freier Wissenschaftler erhalten, eine Position, die ihm ungehinderten Zugang zum inneren Forschungsbereich erlaubte. Wie sich herausstellte, hatte sich seine Ernennung als besonderer Glücksgriff erwiesen. Obwohl er das Herz des Berges zuvor noch nie mit eigenen Augen gesehen hatte, wusste Colin mehr darüber als manche seiner Kollegen. Er hatte persönliche Unterlagen Weizmanns gefunden, die wichtige Informationen über die Kugel enthielten. Seitenlange Skizzen und Anmerkungen über den inneren Mechanismus, die Struktur und den Aufbau. Informationen, die zu Weizmanns unumstößlichem Hass gegen das fremde Artefakt geführt hatten.
Colin hingegen war anders veranlagt. Er stand allem Fremden offen gegenüber. Seit ihm der Zugang zur Kammer gewährt wurde, machten die Forschungen rasante Fortschritte. Wie es schien, war er endlich auf etwas gestoßen.
»Sie stehen leider nicht auf der Rednerliste, Colin. Vielleicht, wenn Sie mir im Anschluss an diese Sitzung …?«
»Es ist aber ungeheuer wichtig.« Colin deutete auf den Stapel Unterlagen, der vor ihm lag. »Ich habe das Material eigens mitgebracht, damit alle es sich ansehen können. Bitte lassen Sie mich kurz erläutern, worum es geht. Es dauert keine zehn Minuten.«
Helène blickte ihre Kollegin fragend an. »Wenn du nichts dagegen hast, Michelle …«
»Aber nein. Ich war sowieso gerade fertig. Außerdem bin ich glücklich über alles, was uns weiterbringt. Kommen Sie, Colin, nur nicht schüchtern.« Sie packte ihre Unterlagen zusammen, räumte den Platz und warf dem jungen Mann im Vorübergehen ein Lächeln zu, das selbst einen erfahrenen Mann aus der Bahn geworfen hätte. Auf Colin wirkte es schier überwältigend. Mit hochrotem Kopf und gesenktem Blick schnürte er an ihr vorbei zum Rednerpult. Als er vorn stand, schien er vollkommen vergessen zu haben, was er hier eigentlich wollte. Irritiert blickte er in die Runde, und es dauerte eine ganze Weile, bis er sich wieder im Griff hatte. Dann nahm er ein Stück Kreide und zeichnete einen Kreis an die Tafel. Mit schnellen, präzisen Strichen entwarf er ein kompliziertes Muster aus sich schneidenden und überlagernden Flächen, die den Kreis in kürzester Zeit wie ein Tangramspiel aussehen ließen. Die Kreide kratzte und quietschte über die Tafel, dass sich einem die Fingernägel hochbiegen konnten. Als er endlich fertig war, schnaufte er wie nach einem Hundertmeterlauf. »Das«, sagte er keuchend, »ist in groben Zügen ein Muster der Bruchkanten, entlang derer sich die Außenhülle der Kugel geöffnet hat. An dem Tag, an dem Andreas Schmitt tragischerweise ums Leben kam.« Er machte eine kurze Pause und trank einen Schluck Wasser. »Wie Sie wissen, haben sich die Deckplatten für einen kurzen Zeitraum um wenige Zentimeter gehoben, so dass ein Blick ins Innere der Kugel möglich war. Zeit genug, um einige endoskopische Aufnahmen zu machen. Was wir zu sehen bekamen, lässt den Schluss zu, dass die Kugel einen komplizierten Mechanismus beherbergt. Einen Mechanismus, der uns, wie ich betonen möchte, völlig fremd ist und dessen Ziel es sein könnte, gravimetrische Wellen zu erzeugen.«
»Das ist doch nichts Neues«, unterbrach ihn Direktor Steenwell. »Diese Vermutung haben wir schon seit zwanzig Jahren. Was haben Sie denn nun herausgefunden?«
»Darauf komme ich gleich, Sir. Wenn Sie sich bitte etwas gedulden.«
Wieder gab es vereinzeltes Gelächter. Helène beobachtete aus den Augenwinkeln, wie Steenwell zurückzuckte. Eine solche Abfuhr war er
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