Magma
Lichtbilder, Filme oder Powerpoint-Präsentationen. Links davon stand ein Tisch, an dem bereits die beiden stellvertretenden Direktoren Steenwell und Habermann saßen. Beide blickten die Direktorin erwartungsvoll an, als sie direkt auf den Platz zwischen ihnen zusteuerte und ihre Ledermappe demonstrativ auf den Tisch klatschen ließ.
»Meine Damen und Herren«, sagte sie mit erhobener Stimme, »bitte nehmen Sie Platz.«
Es folgte das allgemeine Stühlerücken, Räuspern und Tuscheln. Als endlich Ruhe eingekehrt war, ließ Helène ihren Blick in die Runde schweifen. Er blieb an einem leeren Stuhl hängen. »Kann mir jemand sagen, wo Mr.Filmore steckt? Er stand für heute ebenfalls auf der Liste.«
»Colin hat mich beauftragt, ihn zu entschuldigen«, erwiderte eine junge rothaarige Frau, der es sichtlich peinlich war, vor so vielen Menschen zu reden. Sie trug den gelben Button der Radiologieabteilung am Revers ihres weißen Laborkittels. »Er bittet um Ihr Verständnis, wenn er sich etwas verspätet.«
»Na schön.« Helène griff in ihre Mappe und förderte einen Stapel Unterlagen zutage. Dokumente, die in ihrer Brisanz jede Krisensitzung rechtfertigten. Als sie alles vor sich ausgebreitet hatte, stand sie auf und richtete das Wort an die Anwesenden. »Ich begrüße Sie alle ganz herzlich zu dieser außerordentlichen Sitzung und möchte Sie noch einmal in aller Form auf Ihre Verschwiegenheitspflicht hinweisen. Nichts von dem, was in den nächsten Stunden hier berichtet und entschieden wird, darf jemals diesen Raum verlassen. Habe ich mich klar ausgedrückt?«
Zustimmendes Gemurmel drang durch die Reihen.
»Ich habe Sie heute hergebeten, weil wir vor der schwierigsten Entscheidung seit Bestehen dieser Institution stehen. Mein Vater gründete die
Kowarski-Labors
mit dem Wissen, dass die menschliche Zivilisation nur eine von vielen möglichen Zivilisationen ist.
Wir sind nicht allein
, das war sein Leitspruch, und es ist auch das Motto unserer Organisation. Wir haben in den letzten fünfzig Jahren herausgefunden, dass es Lebensformen, ja sogar Kulturen gibt, die unserer eigenen in nichts nachstehen, ja, die unserer Zivilisation technologisch vielleicht sogar weit voraus sind. Wir wussten von der Existenz extraterrestrischen Lebens schon lange, bevor der Begriff
Area 51
in aller Munde war. Genau genommen waren wir es, die diesen Begriff geprägt haben, mit dem Zweck, die Neugier der Medien auf eine falsche Spur zu locken. Es gelang uns, die wahre Natur unserer Forschung zu verschleiern, was für alle Beteiligten mit großen persönlichen Verlusten verbunden war. Dafür und für Ihren unermüdlichen Einsatz möchte ich Ihnen an dieser Stelle noch einmal meinen herzlichsten Dank aussprechen. Wir haben geforscht, analysiert und bewertet. Viele Jahre lang. Wir haben viele tausend Seiten Papier mit Spekulationen über den möglichen Sinn und Zweck der Apparatur gefüllt, die wir nur als
das Herz des Berges
bezeichnen. Seine Beschaffenheit, seine Fähigkeit, den Raum zu krümmen, all das hat uns viele Jahre beschäftigt und zu einem soliden Fundament an Wissen über den Platz des Menschen im Universum geführt. Allein die bisher gesammelten Fakten würden ausreichen, eine intellektuelle Revolution auszulösen. Wir haben uns jedoch gegen eine Veröffentlichung der Fakten entschieden. Der Grund liegt auf der Hand. Es würde zu einer tiefen Verunsicherung in der Bevölkerung kommen. Verunsicherung führt zu Angst. Angst führt zu Panik, und wo die endet, das wissen wir alle. Dem Verlust von Kontrolle. Um handlungsfähig zu bleiben, müssen wir den Zeitpunkt unserer Enthüllung gut wählen. Die jüngsten Entwicklungen könnten uns allerdings dazu zwingen, früher als geplant zu handeln.«
Ein Raunen erfüllte den Saal.
Helène hob die Hände. »Meine Damen und Herren, wir dürfen uns nichts vormachen. All unsere Theorien, unsere Spekulationen, ja das gesamte Gedankengebäude, das wir auf dem Fund errichtet haben, war bisher rein akademischer Natur. Die gewonnenen Erkenntnisse haben in keiner Weise unser Leben und Überleben auf diesem Planeten tangiert. Seit einer knappen Woche hat sich die Situation geändert. Die Meldungen, die seit Tagen auf meinem Schreibtisch landen, zeichnen ein anderes Bild.«
Helène spürte, wie ihre Worte die Stimmung aufzuheizen begannen. Sie lehnte sich zurück und ließ ihre Worte wirken. Jeder Einzelne im Raum, und mochte er noch so beschäftigt sein, sollte ihre Bedeutung erfassen. »Ich
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