Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Magma

Magma

Titel: Magma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
Vom Netzwerk:
vermischt mit einem ohrenbetäubenden Donnergrollen. Scott startete und raste mit quietschenden Reifen über den Parkplatz. Die Erde unter ihnen bäumte sich auf wie ein junges Pferd. Aus den Augenwinkeln sah er, wie ganze Reihen von Bäumen umknickten. Wie ein Wunder traf keiner von ihnen den Jeep. Scott lenkte das Fahrzeug wie ein Besessener durch das krachende, splitternde und grollende Inferno. Zweige klatschten auf die Fahrbahn, aber Scott jagte einfach über sie hinweg. Nur raus aus dem Tal, so schnell wie möglich auf die Anhöhe. Er bretterte die Muir Woods Road in Richtung des Panoramic Highway, schlingernd und immer mit mindestens einem Rad über dem Seitengraben. Er trieb sein Allradfahrzeug bis zum Äußersten, immer damit rechnend, im nächsten Augenblick von einem der mächtigen Rotholzstämme getroffen zu werden. Wie durch ein Wunder gelang es ihm, auf der Straße zu bleiben und allem auszuweichen, was von oben auf sie herabprasselte. Nach wenigen Kilometern lichtete sich der Wald. Scott wusste jetzt genau, wohin er wollte. Er verließ die Straße an einem Feldweg und fuhr entlang der Waldgrenze auf den Kamm der Hügelkette zu. Der Boden war steinig und von wenigen Büschen bewachsen, spärliche Überreste des einstmals so prächtigen Waldes. Doch heute war Scott froh über den Raubbau, der hier vor über hundert Jahren stattgefunden hatte. Ihm war wesentlich wohler, seit sie die turmhohen Bäume hinter sich gelassen hatten.
    Er lenkte den Cherokee bis zum höchsten Punkt der Kuppe und schaltete den Motor ab. Die Erschütterungen waren hier oben nicht ganz so stark, aber immer noch so heftig, dass Sarah sich beim Aussteigen festhalten musste. Scott keuchte wie nach einem Hundertmeterlauf. Die Luft war erfüllt vom Geruch giftiger Dämpfe. Der Wald hinter ihnen brannte lichterloh. Flammen, höher als ein mehrstöckiges Haus, schlugen in den Himmel. Schwarzer Rauch trübte das Sonnenlicht. Scott wandte sich um und blickte über das Tal. Was er dort sah, ließ ihn an seinem Verstand zweifeln. Die Erde war an manchen Stellen aufgerissen und spuckte rot glühende Lava. Vom Harbour Drive her erklangen Alarmsirenen zu ihnen herüber. Schwarzer Rauch, als würde Öl brennen, stieg in den Himmel. Weiter südlich war es noch schlimmer. Er musste sich die Augen reiben, um wirklich zu glauben, was er da sah. Die Golden Gate Bridge existierte nicht mehr. Ihre Pfeiler ragten wie blutige Rippen in die Luft. Der Highway war komplett weggebrochen. Die herabgefallenen Stahlbetonplatten hatten die Fluten darunter in ein schäumendes Chaos verwandelt. Und dort, wo einst San Francisco gestanden hatte, verdunkelte Rauch den Himmel. Nicht aus einer einzelnen Quelle, sondern aus Hunderten. Der ganze Horizont war eine einzige verdammte Wand aus Rauch.

49
    E lla war wie paralysiert. Sie war unfähig zu ermessen, was sich da vor ihr auf der Leinwand abspielte. Es waren Bilder des Schreckens, wie sie sie bisher noch nie gesehen hatte. Äste hagelten herab, Bäume stürzten zu Boden. Der Untergrund war an manchen Stellen aufgerissen. Hellrote Lava schoss empor, klatschte und spritzte in alle Richtungen und löste weitere Brände aus. Das Holz der Sequoias, das eigentlich über einen natürlichen Brandschutz verfügte, flammte auf wie Zunder. Feuerwalzen, so hoch wie mehrstöckige Häuser, schlugen in den Himmel, während der Rauch das Sonnenlicht auslöschte. Menschen rannten brennend durchs Bild. Einer versuchte, sich über den Boden wälzend die Flammen zu ersticken.
    Ella wandte ihren Blick ab, doch die Geräusche konnte sie nicht aus ihrem Kopf verbannen. Schmerzensschreie, die kaum noch etwas Menschliches an sich hatten, Knistern, als ob irgendwo ein Hochspannungsmast umgeknickt wäre, und ein dumpfes, donnerndes Grollen wie von einem nahenden Gewitter. Das alles erinnerte sie fatal an ihr Erlebnis in der ostsibirischen Tundra.
    Doch trotz allen Schreckens haftete der Szene auch etwas merkwürdig Unwirkliches an wie bei einem Hollywood-Blockbuster. Ella erinnerte sich, dass sie das letzte Mal dieses Gefühl gehabt hatte, als sie im Fernsehen den Anschlag auf das World Trade Center gesehen hatte. Die einstürzenden Hochhäuser. Damals war es ihr vorgekommen, als würde sie nur Special-Effects sehen. Tief in ihrem Innern hatte sie damit gerechnet, dass gleich ein Nachrichtensprecher ins Bild treten und sagen würde: April, April, alles nur Illusion.
    Aber es war keine Illusion gewesen, genauso wenig wie das hier. Es war

Weitere Kostenlose Bücher