sowieso nicht um sie, wahrscheinlich würde sie froh sein, wenn Joanna verschwunden war. Sie könnte im »Red Lantern« untertauchen, niemand würde sie dort vermuten, der Einzige, der wusste, dass sie dort sein könnte, war tot. Lieber würde sie sich von Bill an irgendwelche Freier verschachern lassen, als Jakes Augen zu sehen, wenn er erfuhr, dass sie seinen Bruder getötet hatte.
Wie in Trance legte sie die Stange beiseite und beugte sich zu Tom hinunter. Hastig und ohne dabei in sein Gesicht zu schauen, zog sie seine Brieftasche aus der Hose. Neben einer Kreditkarte und ein paar anderen Dingen fand sie knapp hundert Dollar, die für eine Fahrkarte nach New Orleans reichen würden. Schnell steckte sie das Geld in ihre Jeans, suchte dann nach Toms Wagenschlüssel. Nachdem sie diesen ebenfalls eingesteckt hatte, richtete sie sich wieder auf und griff nach der Petroleumlampe.
Sie eilte zur Tür, und als sie die Lampe löschen wollte, hatte sie plötzlich eine Idee. Sofort machte sie kehrt, nahm die Decken und Kissen und legte sie in der Mitte des Schuppens auf einen Haufen. Danach trug sie alles zusammen, was ihr irgendwie brennbar erschien und warf es dazu. Vorsichtig entfernte sie den Glaszylinder von der Lampe und hielt die Flamme an eine der Decken, bis diese sich entzündet hatte. Sie schmiss alles auf den Boden und rannte zur Tür.
Sekunden später hatte sie den Riegel geöffnet, stürzte hinaus ins Freie und hinüber zu Amber, die an einem Holzpflock angebunden war und friedlich auf sie wartete. Sie machte sie los und gab ihr einen kleinen Klaps, und wie erwartet lief das Tier sofort los.
Mit wenigen Schritten war sie bei Toms Wagen und setzte sich hinein. Zwar hatte sie noch nie ein Auto gesteuert, doch sie hatte Jake auf ihren Fahrten aufmerksam zugesehen, und war sich sicher, dass sie es irgendwie schaffen würde, nach Millington zu kommen. Es war mitten in der Nacht, also war nicht anzunehmen, dass sie in irgendeine Kontrolle geraten würde.
Sie brachte den Sitz in eine passende Position, legte sich den Gurt an und startete mit zitternden Händen den Motor. Die ersten Meter war sie ein bisschen unsicher, aber dann stellte sie fest, dass es tatsächlich gar nicht so schwer war, das Fahrzeug zu steuern.
Vorsichtig fuhr sie auf den schmalen Wegen in Richtung Magnolia Haven und bog kurz vor dem Herrenhaus in die breite Zufahrtsstraße ein.
Langsam rollte sie die Allee entlang, hielt am Ende an und drehte sich noch einmal um, warf einen letzten Blick auf das Haus, dessen weiße Mauern trotz der Dunkelheit gut zu erkennen waren.
Tränen stiegen ihr in die Augen.
»Mach es gut Jake«, flüsterte sie mit brüchiger Stimme, »ich liebe dich, und ich hoffe, du wirst mir eines Tages verzeihen können.«
Fortsetzung in Teil 2 »Mittagsglut«
IMPRESSUM
‚Morgendämmerung‘, aus der Reihe: ‚Magnolia Haven‘
©2012 Marina Schuster
Covergestaltung: Marina Schuster
Lektorat, Korrektorat: Marina Schuster
[email protected] http://www.marina-schuster.com
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Alle Charaktere, Namen und die Handlung in dieser Geschichte sind frei erfunden. Jegliche Ähnlichkeit mit realen Personen wäre rein zufällig.