Magnolia Haven 03 - Abendrot
ihm leise etwas vor oder wiegte ihn einfach nur in seinen Armen hin und her. Er liebte seinen Sohn über alles und war fest entschlossen, ihn nicht unter der Situation leiden zu lassen. Jede freie Minute verbrachte er mit ihm, ließ sich von Carol Tipps und Hilfestellung geben und gab sich redlich Mühe, es dem Kleinen an nichts fehlen zu lassen.
Doch obwohl er seine ganze Aufmerksamkeit auf Benjamin richtete, konnte er den bohrenden Schmerz in seinem Inneren nicht verdrängen. Nach wie vor war er nicht bereit, auch nur ein Wort über Joanna zu sprechen, er benahm sich, als hätte es sie nie gegeben.
»Ich mache mir wirklich Sorgen um ihn«, sagte Carol eines Morgens leise zu Taylor und warf einen bedeutsamen Blick auf Jake.
Dieser saß mit Benjamin im Schaukelstuhl im Kinderzimmer und fütterte ihn. Er sah erbarmungswürdig aus, war nur noch ein Schatten seiner selbst. Seine Augen lagen tief in den Höhlen, hatten jeglichen Glanz verloren, waren umgeben von dunklen Rändern. Seine Wangen waren eingefallen, die Knochen traten deutlich hervor, genau wie am Rest seines Körpers, der ausgemergelt wirkte. Als er jetzt aufstand, um Benjamin zu wickeln, sah man seine Jeans um die Beine schlackern, als wäre sie mindestens drei Nummern zu groß. Seine Haltung war gebeugt wie die eines alten Mannes.
»Taylor, bitte rede du doch noch mal mit ihm«, drängte Carol. »Wenn er so weitermacht, wird er sich ins Grab bringen.«
»Er wird sich wieder fangen, allein schon wegen Benjamin«, versuchte Taylor sie zu beschwichtigen. »Er braucht nur ein bisschen Zeit.«
Trotzdem probierte er sein Glück, als Jake kurz darauf ins Wohnzimmer kam.
»Jake, ich weiß, dass du nicht darüber sprechen willst«, begann er vorsichtig, »aber du solltest dir doch noch einmal überlegen, ob du nicht nach Joanna suchen willst.«
Sofort machte Jake eine abwehrende Handbewegung. »Da gibt es nichts zu überlegen. Sie ist gegangen, basta.«
»Wenn du mir wenigstens mal zuhören würdest«, mischte Carol sich jetzt flehentlich ein. »Ich bin mir sicher, dass sie dich und Benjamin niemals im Stich gelassen hätte, nicht freiwillig.«
»Ich weiß, dass du es gut meinst, aber ich will davon nichts mehr hören.«
»Jake, bitte, du musst etwas tun …«
»Hör zu, ich bin dir wirklich dankbar, dass du dich um Benjamin kümmerst, doch das gibt dir nicht das Recht, dich in meine Angelegenheiten einzumischen«, fuhr Jake sie an. Sekunden später schaute er sie zerknirscht an. »Tut mir leid, ich wollte dich nicht anschnauzen.«
»Schon gut.« Sie ging zu ihm und legte ihm tröstend die Hand auf den Arm. »Es ist nicht leicht für dich, ich kann verstehen, dass du verletzt und enttäuscht bist. Aber bitte tu mir den Gefallen und denk wenigstens noch einmal in Ruhe über alles nach.«
»Jaja«, sagte er und machte eine gleichgültige Handbewegung, »ich denke darüber nach.«
Langsam rollte die schwarze Limousine auf das Herrenhaus von Magnolia Haven zu und kam vor dem Eingang zum Stillstand. George sprang heraus, lief um den Wagen herum und öffnete beflissen die hintere Tür.
Samuel Prescott stieg aus und ließ seinen Blick über die Fassade des Hauses gleiten, seine Augen funkelten. »Es ist schön, wieder daheim zu sein.«
»Ja Sir, wir freuen uns auch alle, dass Sie zurück sind«, nickte George und meinte das vollkommen aufrichtig.
Alle Bediensteten hatten sowohl Samuel als auch Jake sehr gerne gemocht, und waren mit Toms Regiment überhaupt nicht zufrieden. Zwar hätte keiner von ihnen je gewagt, auch nur einen Ton darüber verlauten zu lassen, aber sie waren sich alle einig, dass es gut war, dass der ‚alte Mr. Prescott‘ wieder da war.
Während George das Gepäck auslud, betrat Samuel das Haus und begab sich ohne Zögern ins Arbeitszimmer. Dort nahm er sich die Hauptbücher aus dem Schrank, setzte sich damit an den Schreibtisch und vertiefte sich darin. Es dauerte nicht lange, bis er sich einen ersten Überblick verschafft hatte, und nachdem er noch einen Anruf bei der Bank getätigt hatte, hatten sich seine schlimmsten Befürchtungen bestätigt.
Zornig sprang er auf und lief mit großen Schritten auf und ab, fragte sich, wie es nur so weit hatte kommen können. Er mahnte sich zur Ruhe, er wusste, dass er jede Aufregung vermeiden sollte. Doch es fiel ihm schwer sich zu beherrschen, angesichts der Tatsache, dass Magnolia Haven kurz vor dem Ruin stand.
Mitten in diese sorgenschweren Gedanken platzte Tom herein.
»Oh Vater«, entfuhr
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