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Magnolienschlaf - Roman

Magnolienschlaf - Roman

Titel: Magnolienschlaf - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Baronsky
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gleichzeitig froh, nun wird sie sich endlich erleichtern können. Wilhelmine wartet
     auf das Knarren der Treppe, doch sie hört Karin nur in der Küche rumoren, die Wasserleitung rauscht. Schließlich tastet sie
     über die Matratze und zieht das dünne Kabel aus der Bettritze, bis sie die kleine, pilzförmige Klingel zu fassen bekommt.
     Die Leitung hat sie legen lassen, als Albert damals krank wurde.
    Jetzt drückt Wilhelmine den Knopf, dreimal hintereinander: ›Guten – Morgen – Karin‹, grüßt sie feste in die Leitung hinein.
    Kurz darauf klopfen Schritte auf der Treppe, das Türblattschabt über den Veloursboden, und das Licht der Deckenleuchte nimmt ihr für einen Moment die Sicht.
    »Einmal reicht vollkommen, Tante Minchen, ich bin ja nicht schwerhörig!«
    Wilhelmine schweigt, wartet, bis Karin die Vorhänge aufgezogen hat, irgendetwas wollte sie doch von ihr, aber sie kommt nicht
     darauf, was es war.
    »Wieso bist du denn schon wach, Tante Minchen? Es ist erst halb sieben.«
    Ich bin immer wach um diese Zeit, denkt Wilhelmine, aber vielleicht sollte sie Karin das nicht sagen, die hört sonst wieder
     einen Vorwurf heraus. »Es ist gut, dass du da bist«, erwidert sie stattdessen und fügt leise hinzu: »Ich kann das Wasser bald
     nicht mehr halten.«
    »Das brauchst du doch auch nicht.« Karin tritt zu ihr ans Bett, sie kaut die Worte, als spräche sie zu einer Taubstummen.
     »Ich hab dir doch was angezogen.«
    »Ach ja …« Wilhelmine nickt zaghaft und fühlt mit der Hand ihre Hüfte entlang. »Ich möchte aber doch auf den Stuhl. Sei so
     gut, und mach die Vorhänge wieder zu, ja.«
    »Tante Minchen, es ist kein Mensch auf der Straße um diese Zeit und durch das Gestrüpp kann sowieso niemand durchsehen.«
    Karin zieht die Vorhänge zu und rückt den Toilettenstuhl ans Bett.
    »Meine Güte, was hast du denn gemacht? Die ganze Windel aufgerissen, ach Mensch, Minchen, was soll denn das?« Unbeherrscht
     ratscht Karin noch den zweiten Klebestreifen auf und zerrt die Windel unter Wilhelmine hervor.
    »Warum bist du denn schon so früh auf den Beinen?«, fragt Wilhelmine leise. »Kommst doch sonst erst um acht.« Sie klammert
     sich an Karins Arm und führt behutsam die Beine über die Bettkante.
    »Heute kommt das Mädchen, Tante Minchen, das hab ich dir doch erklärt. Der Dieter ist gerade nach Frankfurt gefahren und holt
     sie vom Busbahnhof ab.«
    »Ach ja …« Wilhelmine sackt auf den Stuhl und wartet, bis Karin ins Bad gegangen ist. Erst dann erleichtert sie sich.
    Das Mädchen. Mit einem Mal ist ihr kalt und eng in der Brust. Sie erinnert sich an die Jugoslawin, die Karin ihr unlängst
     zum Putzen ins Haus geschickt hat und die ihr die Windeln wechseln wollte, dabei hätte sie Wilhelmine bloß auf den Stuhl helfen
     müssen. Aber die Frau hat nichts verstanden.
    Sie überlegt, was das für ein Mädchen ist, das da kommen soll, wagt aber nicht zu fragen, sie wird es schon erfahren.
    Dass sie Karin lästig fällt, hört Wilhelmine am Ton. Karin gibt sich wenig Mühe, es zu verstecken, vielleicht will sie es
     überhaupt nicht. Oft ist es nur ein winziger Zug um Karins Mund oder eine Nuance im Tonfall, die Wilhelmine ins Herz schneidet.
     Sie wollte nie in ihrem Leben jemandem lästig fallen. Aber wie das wirklich ist, weiß sie erst, seit sie nichts mehr daran
     ändern kann. Einsam macht es, so einsam, als säße sie allein auf einer Insel, noch in Sichtweite der Küste, wo die anderen
     stehen und versuchen, sich vor dieser Pflicht zu drücken. Dieter lässt sich auch nicht blicken. Das tut weh. Aber Wilhelmine
     wird schweigen, sich still wieder ins Bett helfen lassenund warten, warten, warten. Was kann sie anderes tun?
    »Soll ich dir schon was zum Essen machen?«
    »Ach nein, lieber später, ich hab ja doch noch keinen Appetit.«
    Karin brummt etwas von Wäsche und Keller und verschwindet.
    Wilhelmine lauscht auf Karins Schritte, hört, wie sie die Tür zur Kellertreppe entriegelt. Auf Alberts Kopfkissen liegt noch
     die Illustrierte von gestern, in der Wilhelmine zu blättern beginnt. Sie hätte Karin um eine schöne Tasse Tee bitten sollen,
     dann hätte es fast wie früher sein können. Wilhelmine sieht sich um. Das Wasserglas auf dem Nachttisch ist leer. Nicht dass
     sie Durst hätte, aber normalerweise schenkt Karin ihr immer Wasser ein.
    Wilhelmine zögert. Sie kann die Wasserflasche neben dem Nachttisch stehen sehen. Vorsichtig robbt sie an die Bettkante und
     streckt den Arm aus.

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