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Mahlstrom

Titel: Mahlstrom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Watts
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wäre all das nur der Anfang gewesen, anstatt …« – anstatt, oh bitte, lieber Gott, das Ende der ganzen Angelegenheit …
    »Es konnte einen Lifter kapern, weil es die Befehlsgewalt dazu besaß. Die hat es jetzt nicht mehr, und die anderen Gele haben sie nie besessen. Wir reden über einen Code, der für etwas, das in der wirklichen Welt keinerlei Autonomie besitzt, vollkommen nutzlos ist, und der ohne einen äußeren Anreiz irgendwann von selbst verschwinden wird, weil er keine Vorteile mit sich bringt. Und was dieses ganze Debakel angeht …«, Murphys Stimme hatte plötzlich einen trotzigen Tonfall angenommen, »nach allem, was ich gehört habe, waren es nicht die Gele, die letzten Endes auf den Knopf gedrückt haben.«
    Nun, deutlicher kann man wohl nicht mehr werden.
    Sie beschloss, darüber hinwegzugehen. »Entschuldigen Sie, aber das überzeugt mich nicht ganz. Im Netz zirkuliert ein Plan zur Vernichtung der Welt, und Sie sagen mir, ich soll mir deswegen keine Gedanken machen?«
    »Genau das will ich damit sagen.«
    »Leider …«
    »Ms. Rowan, Gele sind wie große, aus einer klebrigen Flüssigkeit bestehende Autopiloten. Nur weil etwas die Flughöhe und das Wetter überwachen und im richtigen Moment das Fahrwerk ausklappen kann, heißt das nicht, dass es sich dieser Dinge auch bewusst ist. Die Gele haben sich nicht verschworen, um die Welt zu vernichten. Sie wissen ja nicht einmal, dass es eine wirkliche Welt gibt. Sie hantieren lediglich mit Variablen. Und das ist nur dann gefährlich, wenn eines ihrer Ausgaberegister zufälligerweise mit einer Bombe auf einer Verwerfungslinie verbunden ist.«
    »Vielen Dank für Ihre Einschätzung der Lage. Wenn Sie nun die Anweisung erhalten würden, dieses Mem zu eliminieren, wie würden Sie vorgehen?«
    Er zuckte die Achseln. »Jetzt, nachdem wir wissen, wonach wir suchen müssen, können wir verseuchte Gele einfach durch Befragung ausfindig machen. Dann ersetzen wir fehlerhafte Gele durch frische – es war ohnehin vorgesehen, demnächst zu Phase vier überzugehen. Die nächsten Kulturen sind bereits reif.«
    »Gut«, sagte Rowan. »Dann machen Sie sich an die Arbeit.«
    Murphy starrte sie an.
    »Gibt es ein Problem?«, fragte Rowan.
    »Wir könnten das natürlich tun, aber es wäre eine absolute Verschwendung von … ich meine, mein Gott! Die halbe Pazifikküste wurde gerade vom Meer verschluckt, es gibt doch sicher dringendere …«
    »Nicht für Sie. Sie haben Ihre Anweisungen.«
    Er drehte sich um, bedrängt von unsichtbaren Statistiken.
    »Was für ein äußerer Anreiz, Doktor?«, fragte sie an seinen Rücken gewandt.
    Er blieb stehen. »Wie bitte?«
    »Sie sagten, das Mem würde von selbst verschwinden, wenn es keinen äußeren Anreiz gibt. Was haben Sie damit gemeint?«
    »Etwas, das die Replikationsrate erhöht. Neue Informationen, die das Mem vorteilhaft erscheinen lassen.«
    »Informationen welcher Art?«
    Er drehte sich zu ihr um. »Diese Informationen gibt es nicht, Ms. Rowan. Das ist es ja gerade, was ich sagen will. Sie haben die Aufzeichnungen gelöscht, die Korrelation unterbrochen und die Überträger eliminiert, nicht wahr?«
    Rowan nickte. »Wir …«
    … haben unsere Leute getötet …
    »… haben die Überträger eliminiert«, sagte sie.
    »Nun, da haben Sie's.«
    Sie gab sich Mühe, ihre Stimme sanft klingen zu lassen. »Bitte führen Sie meine Anweisungen aus, Dr. Murphy. Ich weiß, dass Ihnen das alles banal vorkommt, aber ich treffe lieber Vorsichtsmaßnahmen, als ein Risiko einzugehen.«
    Seinem Gesicht war deutlich anzusehen, was er von den Vorsichtsmaßnahmen hielt, die sie bisher getroffen hatte. Er nickte und ging ohne ein weiteres Wort hin aus.
    Rowan seufzte und sank auf ihren Stuhl zurück. Ein Textbanner scrollte durch ihr Sichtfeld: Weitere vierhundert Mechfliegen für die Aufräumarbeiten in SeaTac angefordert. Damit waren inzwischen über fünftausend der kleinen Teleoperatoren, deren Aufgabe es war, sämtliche Leichen aufzuspüren, bevor ihnen Typhus und Cholera zuvorkamen, zwischen SeaTac und Hongcouver im Einsatz.
    Millionen Tote. Ein Schaden, der in die Billionen ging. Immer noch besser als die Alternative, das wusste sie. Doch es nützte nicht viel.
    Die Rettung der Welt hatte ihren Preis gehabt.

Volvox

Meerjungfrau
    Der Pazifik lastete schwer auf ihrem Rücken. Sie achtete nicht darauf. Er zermalmte die Körper ihrer Freunde. Sie vergaß sie.
    Er verschluckte das Licht und ließ selbst ihre wundersamen Augen erblinden.

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