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Maigret - 18 - Maigret in Nöten

Maigret - 18 - Maigret in Nöten

Titel: Maigret - 18 - Maigret in Nöten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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gab. Maigret, der mit dem Rücken zum Fenster saß, dachte, dass das hell erleuchtete Esszimmer von Gassin aus gesehen, der draußen im Regen stand, wie der Inbegriff eines behaglichen Familienlebens erscheinen musste.
    Ducrau hatte indessen noch nicht geendet, und sein Blick ging von einem Gesicht zum andern.
    »Ihr werdet keinen roten Heller sehen, weil ich nämlich zu diesem Zweck ein Abkommen unterschrieben habe, das bei meinem Tod in Kraft tritt. Es sieht vor, dass meine ganzen Geschäfte an die Générale übergehen. Rund vierzig Millionen! Nur sind diese vierzig Millionen erst in zwanzig Jahren zahlbar.«
    Er lachte, obwohl ihm überhaupt nicht zum Lachen zumute war, dann wandte er sich seiner Frau zu:
    »Du wirst dann längst unter der Erde sein, meine Alte!«
    »Bitte, Émile.«
    Wenn sie sich auch einigermaßen aufrecht hielt, spürte man doch, dass sie am Ende ihrer Kräfte war und jeden Moment ins Wanken kommen und vom Stuhl kippen könnte.
    Ein Anflug von Rührung, ein Zögern huschte über Ducraus Gesicht, Maigret hatte es gesehen, aber schon verhärtete er sich wieder, vielleicht, weil er aufs Äußerste entschlossen war, nicht weich zu werden.
    »Willst du mir noch immer raten, still und leise zu verschwinden?«, fragte er seinen Schwiegersohn, dessen Kinnlade zitterte.
    »Ich schwöre dir …«
    »Komm, lass das Schwören! Du weißt selber genau, was für ein Schuft du bist, was für ein gemeiner kleiner spießiger Halunke, was überhaupt das Schlimmste ist. Ich frage mich nur, wer von euch beiden der größere Schuft ist, meine Tochter oder du. Wollen wir wetten? Seit Wochen spielt ihr uns nun dieses Theater mit dem Kind vor, das sie angeblich erwartet. Aber wenn es euch Spaß macht, rufe ich jetzt gleich einen Arzt, und ich gebe euch hunderttausend Franc, wenn Berthe tatsächlich schwanger ist!«
    Madame Ducrau riss die Augen auf: Mit einem Schlag begann sie die Wahrheit zu ahnen. Ihre Tochter indessen starrte Ducrau immer noch mit hasserfüllter Ruhe an.
    »Das ist’s!«, schloss dieser und erhob sich, die Pfeife zwischen den Zähnen. »Eine, zwei, drei! Ein altes Frauenzimmer, eine Tochter und ein Schwiegersohn! Zusammen kaum eine richtige Tischrunde. Und das ist alles, was ich habe, oder jedenfalls, was mir sein sollte, mit mir sein sollte …«
    Maigret rückte teilnahmslos auf seinem Stuhl zurück und stopfte seine Pfeife.
    »Und nun werde ich euch etwas sagen, vor dem Kommissar, das ist ganz gleichgültig. Er ist der Einzige, der zählt, denn Angehörige gelten nicht als Zeugen: Das ist so! … Ich bin ein Mörder! Ich habe gemordet, mit diesen beiden Händen …«
    Seine Tochter fuhr hoch. Sein Schwiegersohn erhob sich und stammelte:
    »Ich bitte dich …«
    Seine Frau hingegen rührte sich nicht. Vielleicht hörte sie schon nicht mehr hin? Sie weinte nicht. Ihre Stirn ruhte auf ihren gefalteten Händen.
    Ducrau ging mit schweren Schritten von einer Wand zur andern und paffte seine große Pfeife.
    »Wollt ihr wissen, wie und warum ich den Typen abgemurkst habe?«
    Niemand fragte ihn danach. Er selbst hatte das Bedürfnis zu reden, ohne dass er seine bedrohliche Haltung aufgegeben hätte. Dann plötzlich setzte er sich wieder Maigret gegenüber und streckte ihm über den Tisch seine Hand entgegen.
    »Ich bin doch von uns beiden der kräftigere Kerl, nicht? Jeder würde das bestätigen, wenn er uns nebeneinander sähe. In zwanzig Jahren ist mir noch keiner über den Weg gelaufen, der meine Faust auf den Tisch gebracht hätte. Geben Sie mir Ihre Hand!«
    Er ergriff sie mit solchem Ungestüm, dass Maigret das ganze Wahnsinnsfieber seines Gegenübers in sich herüberfluten spürte. Und löste nun diese Berührung nicht auch umgekehrt in Ducrau Gefühle aus, wurde seine Stimme nicht deutlich wärmer?
    »Sie kennen doch das Spiel? Es geht darum, wer wessen Faust auf den Tisch herunterkriegt. Ellbogen still halten!«
    Die Adern auf seiner Stirn schwollen an, seine Wangen färbten sich violett, und Madame Ducrau sah ihn an, als denke sie, nun würde ihn gleich ein Gehirnschlag treffen.
    »Sie drücken nicht mit voller Kraft!«
    Das stimmte auch. Aber als Maigret fester drückte, wunderte er sich, wie schnell der Widerstand seines Gegners nachließ und wie sich die Spannung seiner Muskeln bei jedem Stoß lockerte. Die Hand schlug auf den Tisch, und Ducrau blieb einen Moment mit erschlafftem Arm sitzen.
    »Deswegen ist alles passiert …«
    Er ging zum Fenster, öffnete es, und der feuchte Atem des

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