Maigret - 18 - Maigret in Nöten
Maigret.
Die Sonne schien immer heißer. Ein Schiffer rief im Vorbeigehen:
»Die ›Albatros‹ hat eine Panne in Meaux!«
Der Ruf hatte Ducrau gegolten, und vermutlich war der Schiffer sehr erstaunt, keine Antwort zu erhalten.
»Gehen wir?«
Man sah ihnen von überall her nach. Einer kam ihnen sogar auf dem Quai entgegen, tippte an seine Mütze.
»Sagen Sie, Chef, wegen der Steine, die entladen werden sollten …«
»Später.«
»Weil nämlich …«
»Lass mich in Ruhe, Hubert!«
Die Straßenbahn zog ihre farbige Schleife über das Grau des Pflasters. Der Steinbrecher schien seine ganze Umgebung zermalmen zu wollen, und auf alles und jedes fiel sein feiner weißer Staub.
Das Auto hatte gewendet. Ducrau schaute durch die kleine Heckscheibe zurück.
»Toll!«, seufzte er.
»Was?«
»Nichts.«
Verstand Maigret wirklich nicht? Nun hätte er es gern gesehen, wenn der Fahrer etwas schneller gefahren wäre. Er hatte das Gefühl, jede Minute, die verstreiche, berge eine Gefahr. Ducrau standen dicke Schweißperlen auf der Stirn. Und einmal, als sie an einer Straßenbahn vorbeifuhren, krallten sich seine Finger um den Türgriff.
Aber nicht doch! Er hatte sich in der Hand. Sie kamen über den Pont-Neuf. Der Fahrer drehte sich um, fragte:
»Zum Café?«
Denn da war ja immer noch, rot und weiß gegenüber dem Reiterstandbild, das Café ›Henri IV‹.
»Halten Sie hier«, sagte Maigret. »Sie fahren nach Samois zurück und warten dort …«
Er ging das letzte Stück lieber zu Fuß. Es waren nur hundert Meter, immer noch an der Seine entlang. Ducrau ging auf der Seite der Brüstung.
»Eigentlich können Sie nun schon jetzt zu sich aufs Land fahren, nicht?«, sagte er abrupt. »Sie haben zwei Tage gewonnen!«
»Ich weiß noch nicht.«
»Ist es schön dort?«
»Ruhig.«
Zwanzig Meter noch. Noch mussten sie die Fahrbahn zum düsteren Justizpalast überqueren, dann würden sie vor dem großen Diensteingang mit dem Schalter auf der rechten Seite stehen.
Zum zweiten Mal fasste Ducrau den Kommissar mit der Hand am Arm, und während sie die Fahrbahn überquerten, keuchte der Reeder neben Maigret:
»Ich kann nicht!«
Er meinte wohl die Seine, die Straßenbahn, das Seil, alles, was verhindern könnte …
Auf dem Gehsteig drehte er sich um. Der Wachtposten hatte Maigret erkannt. Schon ging der Schalter auf.
»Ich kann nicht!«, sagte Ducrau noch einmal, bereits unter dem hallenden Portalvorbau, während eine Feder ins Tintenfass eintauchte, um Name und Vorname mit violetter Tinte ins Haftbuch einzutragen.
Ein Schlepper kam stromabwärts und tutete zweimal, bevor er unter dem zweiten Brückenbogen durchfuhr, während sich ein belgischer Kahn in der Gegenströmung quer stellte, um den dritten Bogen anzusteuern.
Marsilly (›La Richardière‹), April 1933
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