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Maigret - 35 - Maigrets Memoiren

Maigret - 35 - Maigrets Memoiren

Titel: Maigret - 35 - Maigrets Memoiren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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erstenmal angewendet worden war.
    »Nein«, sagte er. »Sie wurde vor acht Jahren in New York ausprobiert, vor einem Geschäft an der Eighth Avenue.«
    Ich wette, er war überaus zufrieden mit sich, aber ich muß sagen, er sah nicht aus wie einer, der sich gern aufspielt. Er rauchte mit ernster Miene seine Pfeife, als ob er zehn Jahre älter erscheinen und sich mit dem reifen Mann, der ich damals schon war, auf die gleiche Stufe stellen wollte.
    »Sehen Sie, Herr Kommissar, die Berufsverbrecher interessieren mich nicht. Ihre Psychologie gibt uns keine Rätsel auf. Sie tun ihre Arbeit, Schluß, aus.«
    »Was interessiert Sie?«
    »Die anderen. Menschen wie Sie und ich, die eines schönen Tages töten, ohne daß sie darauf vorbereitet gewesen wären.«
    »Das kommt höchst selten vor.«
    »Ich weiß.«
    »Außer den Verbrechen aus Leidenschaft …«
    »Auch die Verbrechen aus Leidenschaft sind nicht interessant.«
    Das ist ungefähr alles, was mir von jener Begegnung im Gedächtnis geblieben ist. So ganz nebenbei muß ich ihm – wohl weil es nicht um einen Berufsverbrecher ging – von einem Fall erzählt haben, der mich einige Monate zuvor beschäftigt hatte und in den ein junges Mädchen und ein Perlenkollier verwickelt gewesen waren.
    »Ich danke Ihnen, Herr Kommissar. Ich hoffe, ich werde das Vergnügen haben, Sie wieder zu sehen.«
    »Das will ich nicht hoffen«, antwortete ich im Geist.
     
    Wochen vergingen, Monate. Ein einziges Mal, mitten im Winter, glaubte ich unseren Sim im Hauptkorridor der Kriminalpolizei auf und ab spazieren zu sehen.
    Eines Morgens fand ich auf dem Schreibtisch neben meiner Post ein kleines Buch mit einem gräßlich illustrierten Umschlag, wie man sie an den Zeitungskiosken und in den Händen der Midinetten sieht. Es trug den Titel: Das Mädchen mit den Perlen, und der Autor hieß Georges Sim.
    Ich war nicht neugierig genug, um es zu lesen. Ich lese wenig und schon gar keine Groschenromane. Ich weiß nicht einmal, was ich mit der auf billigem Papier gedruckten Broschüre gemacht habe; wahrscheinlich warf ich sie in den Papierkorb und dachte dann tagelang nicht mehr daran.
    Wieder eines Morgens fand ich ein zweites Exemplar des Buches an der gleichen Stelle, und von da an lag jeden Morgen ein neues neben meiner Post.
    Es dauerte eine gewisse Zeit, ehe ich bemerkte, wie meine Inspektoren mir manchmal belustigte Blicke zuwarfen. Lucas vor allem. Lucas war es auch, der mich schließlich aufklärte, als wir einmal zusammen zum Aperitif in die Brasserie Dauphine gingen. Nachdem er lange um den heißen Brei geredet hatte, bemerkte er:
    »Jetzt sind Sie also ein Romanheld geworden, Chef.«
    Er zog den Schmöker aus der Tasche.
    »Haben Sie’s gelesen?«
    Er beichtete mir, daß es Janvier war, damals der Jüngste in der Brigade, der jeden Morgen ein Exemplar auf meinen Schreibtisch legte.
    »Der Held sieht Ihnen in manchen Zügen ähnlich, Sie werden sehen.«
    Er hatte recht. Der Held sah mir so ähnlich, wie die Bleistiftzeichnung eines Amateurkarikaturisten auf dem Marmor eines Kaffeehaustisches einem Menschen aus Fleisch und Blut ähnlich ist.
    Ich wurde dicker, schwerfälliger dargestellt, als ich es war; ich bekam, wenn ich mich so ausdrücken darf, ein erstaunliches Gewicht.
    Die Geschichte selbst war nicht wiederzuerkennen, und ich wendete darin gelegentlich Methoden an, die ich zumindest als unerwartet bezeichnen möchte.
    Noch am gleichen Abend traf ich meine Frau mit dem Buch in der Hand an.
    »Die Milchhändlerin hat es mir gegeben. Sie sagt, es handle von dir. Ich habe noch keine Zeit gehabt, es zu lesen.«
    Was konnte ich tun? Wie dieser Sim versprochen hatte, ging es nicht um einen Zeitungsbericht. Es ging auch nicht um ein seriöses Buch. Es war vielmehr eine schäbige Broschüre, die niemand ernst nehmen konnte, ohne sich lächerlich zu machen.
    Er hatte meinen richtigen Namen benutzt. Aber er konnte mir entgegnen, daß es auf der Welt eine ganze Anzahl Maigrets gab. Ich schwor mir immerhin, ihn ziemlich kühl zu empfangen, sollte ich ihm jemals wiederbegegnen, während ich gleichzeitig überzeugt war, daß er sich hüten würde, sich nochmals bei der Kriminalpolizei zu zeigen.
    Das war ein Irrtum. Als ich eines Tages ungerufen beim Chef anklopfte, weil ich ihn um einen Rat bitten wollte, rief er munter:
    »Nur herein, Maigret! Ich wollte Sie gerade herbitten. Unser Freund Sim ist da.«
    Und kein bißchen verlegen, der Freund Sim. Im Gegenteil, höchst selbstsicher, mit einer

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