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Maigret - 35 - Maigrets Memoiren

Maigret - 35 - Maigrets Memoiren

Titel: Maigret - 35 - Maigrets Memoiren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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Pfeife im Mund, die dicker war denn je.
    »Wie geht es Ihnen, Herr Kommissar?«
    Darauf Guichard:
    »Er hat mir soeben einige Stellen aus einem Schmöker vorgelesen, den er über unsere Firma geschrieben hat.«
    »Den kenne ich schon.«
    Xavier Guichards Augen lachten, doch diesmal war ich derjenige, über den er sich lustig zu machen schien.
    »Er hat mir dann noch ein paar ziemlich treffende Dinge gesagt, die auch Sie interessieren werden. Er wird sie für Sie wiederholen.«
    »Es ist ganz einfach. In Frankreich, in unserer Literatur hat bisher, von seltenen Ausnahmen abgesehen, immer der Bösewicht die sympathische Rolle gespielt, während die Polizei lächerlich gemacht wird, und das ist noch gelinde ausgedrückt.«
    Guichard nickte.
    »Stimmt, nicht wahr?«
    Es stimmte, ja. Nicht nur in der Literatur, auch im Alltag. Ich mußte an ein reichlich bitteres Erlebnis denken, das ich zu Beginn meiner Laufbahn gehabt hatte, in den Tagen, da ich noch die Straße »machte«. Ich war gerade im Begriff, am Ausgang der Metro einen Taschendieb zu verhaften, als der Mann irgend etwas zu schreien begann, ›Haltet den Dieb!‹ oder so ähnlich.
    Sofort fielen zwanzig Leute über mich her. Ich erklärte ihnen, ich sei von der Polizei, und das Individuum, das sich davonmachte, sei ein rückfälliger Sträfling. Ich bin überzeugt, sie glaubten mir alle. Dennoch brachten sie es fertig, mich mit allen Mitteln aufzuhalten, so daß mein Taschendieb in aller Seelenruhe entkommen konnte.
    »Unser Freund Sim«, fuhr Guichard fort, »hat sich nun vorgenommen, eine Reihe von Romanen zu schreiben, in denen er die Polizei so schildert, wie sie wirklich ist.«
    Ich schnitt eine Grimasse, was dem großen Chef nicht entging.
    »Ungefähr so, wie sie wirklich ist«, verbesserte er sich. »Verstehen Sie, was ich meine? Das Buch hier ist nur eine Skizze dessen, was ihm vorschwebt.«
    »Er hat meinen Namen verwendet.«
    Ich dachte, der junge Mann würde sich winden, sich entschuldigen. Mitnichten.
    »Hoffentlich waren Sie nicht entsetzt, Herr Kommissar. Ich kann mir nicht helfen. Wenn ich mir eine Person unter einem bestimmten Namen vorstelle, kann ich diesen Namen hinterher beim besten Willen nicht mehr ändern. Ich habe die unmöglichsten Silben miteinander zu koppeln versucht, um das Wort Maigret zu ersetzen, aber es ist mir nicht gelungen. Am Schluß habe ich’s aufgegeben. Es wäre nicht mehr meine Figur gewesen.«
    »Meine Figur«, sagte er, ganz selbstverständlich, und was noch schlimmer ist, ich habe nicht mit der Wimper gezuckt, vielleicht wegen Xavier Guichard und dem maliziösen Glitzern in seinen Augen, die unverwandt auf mir ruhten.
    »Diesmal geht es nicht mehr um eine Serie von Kolportageromanen, sondern um … Wie nannten Sie das, Monsieur Sim?«
    »Halb-Literatur.«
    »Und Sie zählen darauf, daß ich …«
    »Ich möchte Sie besser kennenlernen.«
    Ich habe es schon am Anfang gesagt: Er zweifelte an nichts. Ich glaube, das war seine Stärke. Daran muß es zum Teil auch gelegen haben, daß es ihm gelungen war, den großen Chef mit seiner typischen Neugier auf jede Gattung Mensch ins Spiel zu bringen, meinen Chef, der mir jetzt ohne die Spur eines Lächelns erklärte:
    »Er ist erst vierundzwanzig.«
    »Es fällt mir schwer, einen Romanhelden darzustellen, wenn ich nicht weiß, wie er sich in jedem Augenblick des Tages verhält. Ich kann zum Beispiel nicht über Milliardäre schreiben, solange ich nicht selber gesehen habe, wie einer im Morgenrock sein Frühstücksei verzehrt.«
    All das liegt schon weit zurück, und heute frage ich mich, aus welchem rätselhaften Grund wir uns das Ganze angehört haben, ohne in schallendes Gelächter auszubrechen.
    »Sie möchten also …«
    »Sie besser kennen, Sie leben und arbeiten sehen.«
    Natürlich erteilte der Chef mir keinerlei Befehle. Dagegen hätte ich mich energisch verwahrt. Eine ganze Weile lang war ich gar nicht so sicher, ob er mir einen Streich spielte oder nicht, denn seinem Charakter haftete immer noch ein Stück Quartier Latin an aus einer Zeit, da das Quartier Latin noch seinen Spaß an losen Scherzen hatte.
    Wahrscheinlich, um den Eindruck zu vermeiden, daß ich die Sache allzu ernst nahm, antwortete ich achselzuckend:
    »Wann immer Sie wollen.«
    Worauf unser Sim begeistert aufsprang.
    »Jetzt gleich!«
    Aus der Distanz mag all das, wie gesagt, lächerlich klingen. Der Dollar war Gott weiß was für unwahrscheinliche Summen wert. Die Amerikaner zündeten ihre Zigarren

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