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Maigret kämpft um den Kopf eines Mannes

Maigret kämpft um den Kopf eines Mannes

Titel: Maigret kämpft um den Kopf eines Mannes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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›Citanguette‹, Mademoiselle!«
    »Die Leitung ist besetzt.«
    »Das ist mir egal. Unterbrechen Sie!«
    Dann:
    »Dufour? Bist du’s?«
    Lakonisch antwortete der Inspektor:
    »Er schläft immer noch!«
    Jemand klopfte an die Tür. Es war Wachtmeister Lucas, und er hustete, weil der Pfeifenrauch so dicht war.

3
    Die zerrissene Zeitung
    Was Neues?« Lucas setzte sich, nachdem er dem Kommissar die Hand gedrückt hatte.
    »Was Neues. Aber nicht umwerfend … Der Chefredakteur des Sifflet hat sich nach langem Hin und Her doch noch bequemt, mir den Brief in Sachen Santé auszuhändigen. Er bekam ihn heute vormittag um zehn …«
    »Laß sehen!«
    Der Wachtmeister reichte ihm ein abgegriffenes Blatt, das von Blaustiftkorrekturen wimmelte, denn der Redakteur beim Sifflet hatte bloß ein paar Textstellen gestrichen, die restlichen Sätze aneinandergehängt und dann das Original in Satz gegeben.
    Das Manuskript trug noch die typographischen Anweisungen sowie die Initialen des verantwortlichen Setzers.
    »Da hat jemand den oberen Rand von dem Blatt abgeschnitten«, stellte Maigret fest. »Wahrscheinlich wollte er einen Aufdruck verschwinden lassen.«
    »Genau. Das hab ich mir auch gleich gedacht. Und ich hab mir überlegt, daß der Brief wahrscheinlich in einem Café geschrieben wurde. Ich hab mit Moers gesprochen. Er behauptet, er könne das Schreibpapier der meisten Pariser Cafés wiedererkennen.«
    »Hat er es erkannt?«
    »Es dauerte keine zehn Minuten. Das Papier stammt aus dem ›Coupole‹ am Boulevard Montparnasse. Von dort komme ich gerade … Leider gehen jeden Tag an die tausend Gäste in dem Lokal ein und aus, und mindestens fünfzig von ihnen verlangen Schreibpapier …«
    »Was hält Moers von der Schrift?«
    »Darüber hat er noch nichts gesagt. Ich soll ihm den Brief zurückgeben, und dann wird er ein ordentliches Gutachten erstellen … Wenn Sie wollen, kann ich in der Zwischenzeit noch mal ins ›Coupole‹ gehen …«
    Maigret ließ das ›Citanguette‹ nicht aus den Augen. Eben hatte die nahe Fabrik ihre Tore geöffnet. Massen von Arbeitern strömten heraus, die meisten auf dem Rad, und verschwanden in der grauen Dämmerung.
    Im Schankraum des Bistros brannte eine einzige Lampe, und der Kommissar konnte das Kommen und Gehen der Gäste beobachten. Ein halbes Dutzend Männer standen an der Theke. Einige beobachteten Dufour mit einem gewissen Mißtrauen.
    »Was macht er denn dort?« wollte Lucas wissen, als er seinen Kollegen von weitem erblickte. »Ach, und … das ist ja Janvier, der da drüben steht und ins Wasser stiert!«
    Maigret hörte ihm nicht zu. Er konnte den unteren Teil der Wendeltreppe sehen, die hinter der Theke nach oben führte. Und dort kamen jetzt Beine zum Vorschein. Sie verharrten eine Weile auf den Stufen, dann bewegte sich eine Gestalt auf die Gruppe an der Theke zu, und Joseph Heurtins bleiches Gesicht rückte in das grelle Lampenlicht. In diesem Augenblick sah der Kommissar die Abendzeitung, die eben auf einen Tisch gelegt wurde.
    »He, Lucas … Wissen Sie zufällig, ob die Sifflet- Meldung bereits in anderen Zeitungen steht?«
    »Gelesen hab ich nichts. Aber die bringen sie todsicher, wenn auch nur, um uns zu ärgern …«
    Maigret griff nach dem Hörer.
    »›La Citanguette‹, Mademoiselle! Schnell!«
    Zum ersten Mal seit diesem Morgen fieberte Maigret. Der Wirt auf der anderen Seite der Seine sagte etwas zu Heurtin, fragte vermutlich, was er trinken wolle.
    Würde der entflohene Sträfling nicht als erstes die Zeitung überfliegen, die vor ihm lag?
    »Hallo! … Hallo, ja …«
    Dufour war aufgestanden, in die Kabine getreten.
    »Paß auf, mein Junge! Auf dem Tisch liegt eine Zeitung. Er darf sie nicht lesen … Auf gar keinen Fall … «
    »Was soll ich?«
    »Rasch! Er hat sich soeben hingesetzt. Das Blatt liegt vor seinen Augen …«
    Maigret stand, aufs äußerste gespannt, am Fenster. Wenn Heurtin den Artikel las, dann war es mit dem ganzen mühsam vorbereiteten Experiment aus und vorbei.
    Er beobachtete, wie der Verurteilte sich auf der Sitzbank an der Wand vorbeugte, die Ellbogen aufstützte, den Kopf in die Hände legte.
    Der Wirt stellte ein Glas Schnaps vor ihn hin.
    Gleich würde Dufour in den Schankraum zurückkehren, die Zeitung vom Tisch nehmen …
    Lucas kannte zwar die Einzelheiten des Falls nicht, doch er hatte erraten, was da drüben vor sich ging, und beugte sich ebenfalls aus dem Fenster. Sekundenlang verdeckte ein Lastkahn, der mit seinen weiß-grün-roten

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