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Maigret kämpft um den Kopf eines Mannes

Maigret kämpft um den Kopf eines Mannes

Titel: Maigret kämpft um den Kopf eines Mannes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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…«
    Maigret beachtete ihn nicht mehr. Ein Pole hatte keine einwandfreien Papiere bei sich.
    »Mitnehmen!«
    Das war alles. Am Boden fanden sie Dufours Revolver mit einer leeren Patronenhülse. Die Scherben der Wasserflasche und der Glühbirne lagen überall verstreut. Die Zeitung war zerrissen und an zwei Stellen mit Blut verschmiert.
    »Was machen wir mit denen hier?« fragte Lucas, nachdem er alle Ausweise kontrolliert hatte.
    »Laß sie laufen …«
    Janvier kehrte erst eine Viertelstunde später zurück und fand Maigret, zusammengesunken in einer Ecke des Schankraums sitzend, in Gesellschaft von Lucas vor. Er selbst war völlig verdreckt. Auf seinem Regenmantel machten sich dunkle Flecken breit.
    Er brauchte nichts zu sagen. Er setzte sich zu den beiden Männern.
    Und Maigret, in Gedanken offenbar ganz woanders, ließ den Blick zur Theke wandern, wo der Wirt mit unterwürfiger und bekümmerter Miene stand, und warf nur das eine Wort hin:
    »Rum!«
    Wieder tastete seine Hand nach der Pfeife in seinen Taschen.
    »Gib mir eine Zigarre!« sagte er seufzend zu Janvier.
    Der junge Inspektor hätte jetzt gern etwas sagen wollen, doch es fiel ihm nichts ein. Der Anblick seines Chefs, der mit gebeugten Schultern dasaß, war so erschütternd, daß er leer schluckte und den Kopf abwenden mußte.
    In seiner Wohnung am Champ-de-Mars waltete Richter Coméliau als Gastgeber bei einem Diner mit zwanzig Gedecken seines Amtes. Ein Tanzabend im häuslichen Rahmen sollte folgen.
    Was Inspektor Dufour betraf, so lag er auf dem Operationstisch eines Arztes in Grenelle und wartete, während jener in seinen weißen Kittel schlüpfte und gleichzeitig das Sterilisieren seiner Instrumente überwachte.
    »Glauben Sie, daß man die Narben sehen wird?« fragte der Inspektor.
    So, wie er da auf dem Rücken lag, konnte er nur die Zimmerdecke sehen.
    »Mein Schädel ist doch nicht etwa gespalten, oder?«
    »Du meine Güte, nein! Ein paar Stiche für die Naht …«
    Mit den blitzenden Klammern in der Hand bedeutete der Arzt seiner Assistentin, den Patienten festzuhalten.
    Dufour unterdrückte einen Schmerzensschrei.

4
    Generalstabsarbeit
    Maigret zuckte nicht mit der Wimper, äußerte auch nicht das geringste Zeichen von Unmut oder Ungeduld.
    Mit ernstem, von Müdigkeit gezeichnetem Gesicht hörte er bis zum Ende zu, ganz Ehrerbietung und Bescheidenheit. Nur in gewissen Augenblicken, wenn Monsieur Coméliau in seinen härtesten, heftigsten Ton verfiel, konnte sein Adamsapfel plötzlich kurz erzittern.
    Schlank, nervös, erregt schritt der Untersuchungsrichter in seinem Amtsraum auf und ab und redete so laut, daß die im Flur wartenden Arrestanten zumindest bruchstückweise mithören konnten.
    Dann und wann nahm er irgendeinen Gegenstand in die Hand, spielte eine Weile damit und stellte ihn brüsk an seinen Platz auf dem Schreibtisch zurück.
    Der Gerichtsschreiber blickte verlegen an Maigret vorbei. Und Maigret stand, reglos wartend, den Richter um eine ganze Kopflänge überragend, im Zimmer.
    Nachdem er seine Rede mit einem letzten beißenden Vorwurf beendet hatte, schaute Coméliau seinem Gegenüber voll ins Gesicht. Und blickte wieder weg. Denn Maigret war immerhin ein Mann von fünfundvierzig Jahren und hatte sich fast ein halbes Leben lang mit den verschiedenartigsten und heikelsten Kriminalfällen abgegeben.
    Vor allem aber war er ein Mann!
    »So reden Sie doch endlich!«
    »Ich habe meinen Vorgesetzten heute vormittag mitgeteilt, daß ich meinen Abschied nehme, sofern es mir nicht in den nächsten zehn Tagen gelingt, den Täter zu fassen.«
    »Mit anderen Worten, Sie wollen Joseph Heurtin wiederfinden?«
    »Den Täter«, wiederholte Maigret schlicht.
    Wie von der Tarantel gestochen, fuhr der Richter hoch.
    »Sie glauben also noch immer …«
    Maigret sagte nichts. Coméliau ließ seine Fingergelenke knacken, während er hastig weitersprach.
    »Also gut! Wir wollen es dabei bewenden lassen, ja? Sie machen mich sonst noch vollends fertig … Falls sich etwas Neues ergibt, rufen Sie mich an!«
    Der Kommissar grüßte und ging. Er schritt durch die vertrauten Korridore, trat aber nicht auf die Straße, sondern stieg hinauf ins Dachgeschoß und öffnete die Tür zu den Laborräumen des Ermittlungsdienstes.
    Einer der Männer im Labor blickte auf, als er ihn plötzlich vor sich sah, stutzte, streckte ihm die Hand entgegen.
    »Ist etwas nicht in Ordnung?« fragte er.
    »Danke, alles geht prima …«
    Er sah an dem Mann vorbei. Er behielt den

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