Maigret kämpft um den Kopf eines Mannes
alle voll von den Enthüllungen des Sifflet . Ich glaube, es wäre gut, wenn …«
Janvier kam aus dem ›Citanguette‹ gelaufen, bog nach rechts ab, in das Dunkel des unbebauten Geländes.
»Und sonst? Alles in Ordnung?«
»Alles in Ordnung!« brüllte Maigret und legte auf.
Er war in Schweiß gebadet. Seine Pfeife war auf den Teppich gefallen, und der glimmende Tabak begann das Gewebe anzusengen. »Hallo! La Citanguette, Mademoiselle …«
»Aber ich habe Sie doch gerade verbunden.«
»Ich sagte ›La Citanguette‹, verstanden?«
Aus einer Bewegung im Bistro zu schließen, mußte dort das Telefon klingeln. Der Wirt eilte zur Kabine. Lucas kam ihm zuvor.
»Hallo, ja! … Kommissar?«
»Ich bin’s«, antwortete Maigret mit matter Stimme. »Abgehauen, wie?«
»Klar!«
»Und Dufour?«
»Dem geht’s nicht so schlecht, glaub ich … Ein Kopfschwartenriß … Er hat nicht mal das Bewußtsein verloren.«
»Die Leute aus Grenelle sind unterwegs …«
»Das wird uns nichts nützen … Sie kennen die Gegend, Kommissar … Mit all diesen Baustellen, Abfallhaufen und Fabrikhöfen und dazu den Gassen in Issy-les-Moulineaux …«
»Hat jemand geschossen?«
»Ein Schuß ist gefallen, aber wer ihn abgegeben hat, hab ich noch nicht herausbekommen. Die sind hier alle ziemlich durcheinander und lammfromm. Sie haben anscheinend gar nicht begriffen, was passiert ist.«
Ein Auto bog in die Uferstraße ein. Zwei Polizisten sprangen hinaus und nach weiteren hundert Metern nochmals zwei.
Vier Polizisten ließen sich vor dem Bistro absetzen, und einer lief, wie immer in solchen Fällen, ums Haus, um den hinteren Ausgang zu bewachen.
»Was soll ich jetzt machen?« fragte Lucas nach einer Pause.
»Nichts … Organisiere die Verfolgung, nur für den Fall … Ich komme.«
»Habt ihr schon einen Arzt gerufen?«
»Ja, Chef …«
Die Telefonistin saß allein im Hotelbüro und erschrak, als ein großer Schatten vor ihr auftauchte.
Maigret wirkte so steif, so unnahbar, so verschlossen, daß er nicht wie ein Mensch aus Fleisch und Blut aussah.
»Wieviel?«
»Sie reisen ab?«
»Wieviel?«
»Ich muß den Geschäftsführer fragen … Wie viele Gespräche haben Sie geführt? … Einen Augenblick …«
Sie wollte aufstehen, doch Maigret packte sie beim Arm, drückte sie auf den Stuhl zurück, legte einen Hundert-Franc-Schein auf den Schreibtisch.
»Genügt das?«
»Ich glaube schon, ja … aber …«
Er atmete tief aus, verließ das Hotel, schlenderte den Bürgersteig entlang, überquerte die Brücke, ohne auch nur einmal den Schritt zu beschleunigen.
Irgendwann tastete er seine Taschen nach der Pfeife ab, fand sie nicht und schien dies als ein böses Omen zu betrachten, denn ein bitteres Lächeln trat auf seine Lippen.
Ein paar Schiffer standen vor dem ›Citanguette‹, zeigten sich aber nur mäßig interessiert. Vor einer Woche hatten sich an der gleichen Stelle zwei Araber gegenseitig umgebracht. Vor einem Monat hatte jemand mit einem Bootshaken einen Sack aus dem Wasser gefischt und die Beine und den Rumpf einer Frau herausgeholt.
Man konnte eben noch die vornehmen Häuser von Auteuil erkennen, die sich jenseits der Seine vor dem Horizont abzeichneten. Das Rattern der Metro erschütterte eine nahe Brücke.
Es nieselte. Uniformierte Beamte stapften umher und ließen bleiche Lichtkegel aus ihren Taschenlampen durch die Dunkelheit wandern.
Der einzige Mensch im Schankraum, der stand, war Lucas. Die Männer, die dem Handgemenge zugesehen oder selbst daran teilgenommen hatten, saßen in einer Reihe an der Wand. Und der Wachtmeister ging von einem zum andern und prüfte ihre Ausweise, ungeachtet der gehässigen Blicke, die seine Bewegungen verfolgten.
Dufour war schon in das Polizeiauto gebettet worden. Der Wagen fuhr so sachte wie möglich an.
Maigret sagte nichts. Die Hände in den Manteltaschen vergraben, schaute er sich um, langsam, mit einem Blick, dem etwas unendlich Schweres anhaftete.
Der Wirt wollte erklären.
»Ich schwöre Ihnen, Kommissar, als ich –«
Maigret winkte ab, trat auf einen Araber zu, musterte ihn von Kopf bis Fuß. Das Gesicht des Mannes war aschfahl geworden.
»Arbeitest du wieder?«
»Bei Citroën, ja. Ich –«
»Du hast doch noch Aufenthaltsverbot!«
Und Maigret gab einem der Beamten ein Zeichen.
›Mitnehmen!‹ lautete der stumme Befehl.
»Kommissar!« schrie der Araber, als er zum Ausgang bugsiert wurde. »Ich kann Ihnen alles erklären … Ich habe nichts getan
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