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Maigret und das Schattenspiel

Maigret und das Schattenspiel

Titel: Maigret und das Schattenspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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vielleicht alle anderen mit sich gebracht hatte: die Unruhe! Eine unnatürliche, morbide Unruhe, die an Wahnsinn grenzte …
    Madame Martin sprach immer davon, was geschehen könnte: der Tod ihres Mannes, das Elend, wenn er ihr keine Pension hinterließe … Sie hatte Angst um ihren Sohn …
    Das war ein Alptraum, eine Zwangsvorstellung.
    »Was gab Roger zur Antwort?«
    »Nichts! Er blieb nie lange! Er dürfte Besseres zu tun gehabt haben …«
    »Ist er am Tage des Mordes gekommen?«
    »Ich weiß es nicht.«
    Und die Verrückte in ihrer Ecke, die ebenso alt war wie Mathilde, sah den Kommissar immer noch mit freundlichem Lächeln an.
    »Hatten die Martins eine interessantere Unterhaltung als gewöhnlich?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Ist Madame Martin gegen acht Uhr abends nach unten gegangen?«
    »Ich erinnere mich nicht mehr! Ich kann nicht die ganze Zeit im Korridor sein.«
    Sagte sie das unbewußt, oder war es Ironie? Mit irgend etwas hielt sie jedenfalls hinter dem Berg. Maigret fühlte das. Der ganze Eiter war noch nicht heraus!
    »Am Abend haben sie sich gestritten …«
    »Warum?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Haben Sie nicht zugehört?«
    Sie antwortete nicht. Ihr Gesichtsausdruck schien zu bedeuten:
    »Das geht nur mich etwas an!«
    »Was wissen Sie noch?«
    »Ich weiß, warum sie krank ist!«
    Und das, das war der Triumph! Die Hände, die sie immer noch über dem Bauch verschränkt hielt, begannen zu zittern. Der Höhepunkt eines ganzen Lebens!
    »Nämlich?«
    Das mußte ausgekostet werden.
    »Weil … Warten Sie, ich will meine Schwester fragen, ob sie nichts braucht … Fanny, hast du keinen Durst? … Hunger? … Ist dir auch nicht zu warm?«
    Der kleine Kanonenofen war ganz rot. Die Alte schwebte auf ihren Filzsohlen durch das Zimmer, ohne das geringste Geräusch zu verursachen.
    »Weil?«
    »Weil er ohne das Geld zurückgekommen ist!«
    Sie betonte jede Silbe einzeln und ließ ein bedeutsames Schweigen folgen. Es war soweit! Sie sprach nicht weiter. Sie hatte genug gesagt.
    »Welches Geld?«
    Vergebliche Mühe! Sie antwortete auf keine Frage mehr.
    »Das geht mich nichts an! Mehr habe ich nicht gehört. Machen Sie daraus, was Sie wollen … Es ist jetzt Zeit, daß ich meine Schwester pflege …«
    Er ging hinaus und überließ die beiden Alten Gott weiß welcher Art von Pflege.
    Es machte ihn krank. Ihm drehte sich der Magen um, als wäre er seekrank.
    »Weil er ohne das Geld zurückgekommen ist …«
    War das die Lösung? Martin hatte sich entschlossen, den ersten Ehemann zu bestehlen, vielleicht, um den Vorwurf der Mittelmäßigkeit nicht länger hören zu müssen. Und sie hatte ihn vom Fenster aus beobachtet. Dann war er mit den dreihundertsechzig Scheinen herausgekommen …
    Aber als er zurückkam, hatte er sie nicht mehr! Hatte er sie an einem sicheren Ort versteckt? War er seinerseits bestohlen worden? Oder hatte er es mit der Angst bekommen und das Geld in die Seine geworfen, um es loszuwerden?
    Hatte er einen Menschen umgebracht? Er, der kleine, mittelmäßige Monsieur Martin mit seinem hellgrauen Mantel?
    Vorhin hatte er reden wollen. Seine Erschöpfung glich der eines Schuldigen, der nicht mehr die Kraft hat zu schweigen und der lieber sofort ins Gefängnis geht, als das beklemmende Warten zu ertragen.
    Aber warum war dann seine Frau krank?
    Vor allem aber: Warum hatte Roger sich umgebracht?
    Und war dies alles nicht nur ein Produkt der Einbildung Maigrets? Warum verdächtigte er nicht Nine oder Madame Couchet oder gar den Obersten? …
    Der Kommissar ging langsam die Treppe hinunter und stieß mit Monsieur de Saint-Marc zusammen, der sich umdrehte.
    »Ah, Sie sind es …«
    Er reichte Maigret herablassend die Hand.
    »Etwas Neues? Glauben Sie, daß es bald ausgestanden sein wird?«
    Plötzlich, im Stockwerk darüber, der Schrei der Verrückten, bestimmt, weil ihre Schwester sie allein gelassen hatte, um wieder ihren Horchposten hinter irgendeiner Tür einzunehmen!
     
    Ein schönes Begräbnis. Viele Leute. Bessere Leute, vor allem die Familie von Madame Couchet und die Nachbarn vom Boulevard Haussmann.
    Es war eigentlich nur die Schwester Couchets, die nicht in die erste Reihe paßte, obwohl sie sich alle Mühe gegeben hatte, elegant zu wirken. Sie weinte. Und ihre geräuschvolle Art, sich die Nase zu putzen, brachte ihr jedesmal einen zornigen Blick der Schwiegermutter des Toten ein.
    Unmittelbar hinter der Familie die Belegschaft der Firma.
    Und neben den Angestellten die alte Mathilde,

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