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Maigret und der Gehängte von Saint-Pholien

Maigret und der Gehängte von Saint-Pholien

Titel: Maigret und der Gehängte von Saint-Pholien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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Schau zu tragen pflegte.
    Kaum noch etwas war übriggeblieben von dem vergnügten, leichtfertigen Bremer Geschäftsmann, dessen Leben sich zwischen großen Weinstuben, seinem modernen Büro und namhaften Restaurants abspielte. Dahin die Unbeschwertheit des erfolgreichen Kaufmanns, der sich mit heiterer Energie, mit dem Appetit des Lebemannes der Arbeit widmet und dem Anhäufen des Geldes.
    Nun blieb nur noch ein fahles, zerfurchtes Gesicht, und man hätte schwören können, daß sich die Tränensäcke unter seinen Augen im Verlauf der letzten Stunde gebildet hatten.
    War van Damme nicht vor einer Stunde noch ein freier Mann gewesen, der – auch wenn er etwas auf dem Kerbholz hatte – mit der Sicherheit auftrat, die ein guter Ruf, eine gewisse Menge Geld, ein Gewerbeschein und Gewandtheit verleihen?
    Er selbst hatte diese Veränderung deutlich gemacht.
    In Reims noch hatte er eine Runde nach der anderen spendiert, seinem Begleiter Luxuszigarren angeboten, einem dienstbeflissenen Wirt Aufträge erteilt, der ihm zu Gefallen eine Garage angerufen und dafür gesorgt hatte, daß man den bequemsten Wagen sandte.
    Er hatte etwas dargestellt!
    In Paris dagegen hatte er sich geweigert, die Reisekosten zu übernehmen, hatte sich auf das Gesetz berufen. Man spürte seine Bereitschaft zu verhandeln, sich Zoll für Zoll und mit einer Verbissenheit zu verteidigen, als ginge es um seinen Kopf.
    Und dabei war er wütend auf sich selbst; das bewies sein Ausruf nach dem Vorfall am Ufer der Marne!
    Er hatte nichts geplant, kannte den Chauffeur nicht, und selbst als die Panne passiert war, hatte er nicht gleich daran gedacht, sie auszunutzen.
    Erst am Ufer des Flußes, angesichts der Strömung, der Baumstämme, die so leicht wie Laub vorbeitrieben, hatte er törichterweise und ganz ohne Überlegung mit der Schulter zugestoßen …
    Er tobte innerlich, wohl ahnend, daß sein Begleiter die Bewegung vorausgesehen hatte.
    Zweifellos war er sich sogar bewußt, das Spiel verloren zu haben, und war um so entschlossener, sich wie ein Verzweifelter zu wehren.
    Er wollte sich gerade eine neue Zigarre anstecken, als Maigret sie ihm aus dem Mund nahm, in den Kohleneimer warf und ihm zugleich den Hut abnahm, den er aufbehalten hatte.
     
    »Ich mache Sie darauf aufmerksam, daß ich nicht viel Zeit habe … Wenn Sie nicht vorhaben, mich den gesetzlichen Vorschriften gemäß zu verhaften, möchte ich Sie ersuchen, mich freizulassen; anderenfalls sähe ich mich gezwungen, Sie wegen willkürlicher Freiheitsberaubung zu verklagen …
    Und was das unfreiwillige Bad angeht, das Sie genommen haben, so seien Sie versichert, daß ich alles aufs Entschiedenste leugnen werde. Sie sind auf dem nassen Lehmboden des Treidelpfads ausgerutscht … Der Chauffeur wird bestätigen, daß ich keinen Fluchtversuch unternommen habe, wie das der Fall gewesen wäre, wenn ich tatsächlich versucht hätte, Sie ins Wasser zu werfen …
    Im übrigen weiß ich immer noch nicht, was Sie mir eigentlich vorwerfen … Ich bin geschäftlich nach Paris gekommen; das werde ich beweisen. Anschließend habe ich einen alten Schulfreund in Reims besucht, einen ebenso angesehenen Bürger, wie ich selbst es bin.
    Ich war naiv genug, Ihnen in Bremen, wo es wenig Franzosen gibt, freundschaftlich entgegenzukommen, Sie zum Essen und Trinken einzuladen und schließlich im Wagen nach Paris mitzunehmen …
    Sie haben meinen Freunden und mir das Foto eines Mannes gezeigt, den wir nicht kennen … Er hat Selbstmord begangen! Das ist faktisch bewiesen. Es ist keinerlei Strafantrag gestellt worden – und folglich gibt es auch kein reguläres amtliches Verfahren.
    Das ist alles, was ich Ihnen zu sagen habe.«
    Maigret steckte sich mit Hilfe eines zusammengefalteten Papierstreifens, den er in den Ofen geschoben hatte, seine Pfeife an und sagte beiläufig:
    »Sie sind absolut frei …«
    Er konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen, so fassungslos war van Damme über diesen allzu leichten Sieg.
    »Was soll das heißen?«
    »Daß Sie frei sind, weiter nichts! Außerdem bin ich gerne bereit, mich für Ihr Entgegenkommen zu revanchieren und Sie zum Abendbrot einzuladen.«
    Selten war er so vergnügt gewesen. Der andere starrte ihn entgeistert und selbst eine Spur entsetzt an, so als enthalte jedes seiner Worte eine versteckte Drohung. Dann erhob er sich zögernd.
    »Es steht mir also frei, nach Bremen zurückzukehren?«
    »Warum nicht? Sie selbst haben mir doch eben erklärt, daß Sie sich keinerlei

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