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Maigret und der verstorbene Monsieur Gallet

Maigret und der verstorbene Monsieur Gallet

Titel: Maigret und der verstorbene Monsieur Gallet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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bleiben würde. Durch die Fenster im ersten Stock sah Maigret ein Bett mit zusammengelegter Matratze. Die Decken hingen zum Lüften über dem Sims.
    Er klingelte. Ein schielendes, etwa dreißigjähriges Dienstmädchen spähte erst durch das Guckloch, ehe es sich entschloß, die Tür zu öffnen. Maigret hatte seine Jacke wieder angezogen.
    »Ist Madame Gallet zu Hause?«
    »Wen darf ich melden?«
    Im gleichen Augenblick rief eine Stimme aus dem Hausinnern:
    »Wer ist es, Eugénie?«
    Dann stand Madame Gallet selbst im Türrahmen, mit hochgerecktem Kinn auf seine Erklärung wartend.
    »Sie verlieren etwas«, bemerkte sie ohne jede Liebenswürdigkeit, als er den Hut abnahm.
    Er hatte nicht mehr an das Taschentuch gedacht. Es flatterte zu Boden.
    Mit einem unterdrückten Fluch hob er es auf, stellte sich vor:
    »Kommissar Maigret von der Ersten Mobilen Brigade. Ich möchte Sie einen Augenblick sprechen, Madame …«
    »Mich?«
    Und zu dem Mädchen gewandt:
    »Was stehen Sie hier herum?«
    Zumindest über Madame Gallet war Maigret sich bereits im klaren. Sie war um die fünfzig und ausgesprochen unsympathisch. Trotz der Tageszeit, der Hitze, der abgeschiedenen Villa steckte sie in einem malvenfarbenen Seidenkleid, und kein einziges ihrer straff zurückgekämmten grauen Haare tanzte aus der Reihe. Überdies waren Hals, Busen und Hände mit goldenen Ketten, Broschen und klirrenden Ringen behängt.
    Widerwillig schritt sie dem Besucher voran in den Salon. Durch eine halbgeöffnete Tür erhaschte Maigret einen Blick auf eine weiße Küche, auf blitzendes Kupfer- und Aluminiumgeschirr.
    »Kann ich jetzt den Boden wachsen, Madame?«
    »Natürlich! Warum nicht?«
    Das Mädchen verschwand im angrenzenden Eßzimmer. Bald darauf begann sich ein frischer Geruch von Terpentin im Haus zu verbreiten.
    Die Salonmöbel waren samt und sonders mit gehäkelten Decken verziert. An der Wand hing das vergrößerte Foto eines lang aufgeschossenen, mageren Jungen im Erstkommunikantenanzug, mit knochigen Knien und einem abstoßenden Gesicht.
    Auf dem Klavier stand ein etwas kleineres Foto. Es zeigte einen Mann mit krausem Haar und angegrautem Spitzbart, der ein an den Schultern schlecht sitzendes Jackett trug.
    Er hatte das gleiche länglich-ovale Gesicht wie der Junge. Aber da war noch etwas, das Maigret störte, und es dauerte eine Weile, bis ihm klar wurde, daß es an den Lippen lag. Sie schnitten das Gesicht beinahe entzwei und waren abnormal dünn.
    »Ihr Gatte?«
    »Ja. Ich möchte wissen, was die Polizei hier will …«
    Während der darauffolgenden Unterhaltung sollte Maigrets Blick noch oft zu dem Foto hinüberwandern, und das war sein erster eigentlicher Kontakt mit dem Toten.
     
    »Ich habe eine traurige Nachricht für Sie, Madame … Ihr Mann ist verreist, nicht wahr?«
    »Nun? Sprechen Sie, um Gottes willen! Ist er …?«
    »Ein Unfall. Das heißt … nicht eigentlich ein Unfall … Ich muß Sie bitten, tapfer zu sein.«
    Sie saß kerzengerade vor ihm. Ihre Hand lag auf einem Ziertischchen, auf dem eine Statue aus imitierter Bronze stand. Ihr Gesicht war hart, mißtrauisch. Das einzige, was sich an ihr bewegte, waren ihre molligen Finger. Maigret hatte das unbestimmte Gefühl, daß sie in ihrer Jugend schlank, vielleicht sogar sehr schlank gewesen sein mußte und erst mit den Jahren Fett angesetzt hatte.
    »Ihr Mann wurde in der Nacht vom 25. auf den 26. in Sancerre ermordet. Leider habe ich die traurige Pflicht …«
    Der Kommissar drehte sich um, deutete auf das Porträt des Erstkommunikanten.
    »Sie haben einen Sohn?«
    Sekundenlang schien es, als sei Madame Gallet nahe daran, die steife Haltung zu verlieren, die sie ihrer Würde offenbar schuldig zu sein glaubte. Ihre Lippen bewegten sich kaum, als sie antwortete:
    »Ja, ich habe einen Sohn …«
    Doch gleich darauf, mit triumphierender Stimme:
    »Sie sagten Sancerre, nicht wahr? Und heute ist der 27 . … Dann muß es ein Irrtum sein! Warten Sie …«
    Sie eilte ins Eßzimmer, wo Maigret das Mädchen sah, das auf allen vieren das Parkett wachste. Als Madame Gallet zurückkehrte, hielt sie ihm eine Ansichtskarte hin.
    »Diese Karte von meinem Mann ist heute gekommen. Sie trägt das Datum vom 26. also von gestern, und den Poststempel von Rouen.«
    Ihr Lächeln verriet kaum verhehlte Genugtuung, weil sie diesen Polizisten, der in ihr Haus einzudringen wagte, in Verlegenheit gebracht hatte!
    »Es muß sich um einen andern Gallet handeln, obwohl ich persönlich niemanden kenne, der

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