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Maigret und die alte Dame

Maigret und die alte Dame

Titel: Maigret und die alte Dame Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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gingen beide zusammen hinauf, denn die alte Dame wollte ihrer Tochter ein Kleid vorführen, das sie sich gerade hatte machen lassen.« »Beide kamen wieder herunter?«
    »Ja. Valentine ging dann wieder hinauf, um sich schlafen zu legen, die Rose kam einige Minuten später nach. Sie brachte ihre Herrin immer ins Bett und gab ihr noch die Medizin.«
    »Hat sie sie auch immer zurechtgemacht?«
    »Nein. Valentine schüttete die Tropfen vorher selber in ein Wasserglas.«
    »Arlette kam nicht wieder herauf?«
    »Nein. Es war ungefähr halb zwölf, als die Rose auch ins Bett ging.«
    »Und gegen zwei Uhr früh fing sie an zu stöhnen.«
    »Diese Zeit geben Arlette und ihre Mutter wenigstens an.«
    »Und Sie glauben, dass zwischen Mitternacht und zwei Uhr morgens ein Mann in Arlettes Zimmer war, ein Mann, mit dem sie aus Paris gekommen war? Sie wissen nicht, was Theo an diesem Abend gemacht hat?«
    »Ich habe mich bis jetzt noch nicht danach erkundigt. Ich muss Ihnen sogar ehrlich sagen, dass ich noch nicht einmal daran gedacht habe.«
    »Wie wär’s, wenn wir essen gingen?«
    »Gern.«
    »Glauben Sie, dass ich Muscheln bekommen könnte?«
    »Kann schon sein, aber eigentlich glaube ich es nicht. Ich kenne die Speisekarte allmählich.«
    »Waren Sie heute Morgen auch im Haus von Roses Eltern?«
    »Nur im ersten Zimmer, in dem sie aufgebahrt war.«
    »Sie wissen nicht, ob sie ein gutes Foto von ihr haben?«
    »Ich könnte sie danach fragen.«
    »Machen Sie das. Alle Bilder, die Sie bekommen können, auch Kinderbilder. Übrigens, wie alt war sie eigentlich?«
    »Zwei- oder dreiundzwanzig Jahre. Ich habe den Bericht nicht selber geschrieben und -«
    »Ich dachte, sie sei schon lange bei der alten Dame.«
    »Seit sieben Jahren. Sie ist ganz jung, noch zu Lebzeiten von Fernand Besson, in ihre Dienste getreten. Sie war ein kräftiges Mädchen, mit einem frischen Gesicht und einem großen Busen.«
    »War sie irgendwann einmal krank?«
    »Dr. Jolly hat mir gegenüber nichts erwähnt. Er hätte es mir sicher gesagt.«
    »Ich möchte gerne wissen, ob sie Liebhaber oder einen Geliebten hatte.«
    »Daran dachte ich auch schon. Es scheint nicht der Fall gewesen zu sein. Sie war sehr ernst und ging so gut wie gar nicht aus.«
    »Weil man sie nicht ausgehen ließ?«
    »Ich glaube, dass Valentine sie sehr kurz hielt und ihr nicht gerne frei gab, aber ich kann mich auch täuschen.«
    Sie waren die ganze Zeit am Meer entlangspaziert. Maigret hatte die Augen nicht davon abgewendet, es aber nicht einen Augenblick wahrgenommen. Das hatte er hinter sich. Am Morgen in Bréauté-Beuzeville war er noch, freudig erregt gewesen. Die Spielzeugeisenbahn hatte ihn an frühere Ferien erinnert. Jetzt bemerkte er weder die hellen Badeanzüge der Badenden noch die auf dem Kies kauernden Kinder, und auch der Jodgeruch des Tangs stieg ihm nicht in die Nase. Er hatte sich nicht einmal groß erkundigt, ob es Muscheln zum Essen geben würde!
    Er war hier, den Kopf vollgestopft mit neuen Namen, die er sich einzuprägen versuchte, wie er es in seinem Büro am Quai des Orfèvres auch tat, und er setzte sich mit Castaing an einen weißgedeckten Tisch, auf dem in einer dünnen, hohen Vase aus Pressglass Gladiolen standen.
    Vielleicht zeigte sich daran, dass er älter wurde? Er beugte sich nach vorn, um noch einmal die weißen Schaumkronen auf den Wellen sehen zu können, und es stimmte ihn traurig, dass er dabei so gar keine Freude verspürte.
    »Waren viele Leute auf der Beerdigung?«
    »Ganz Yport war da, abgesehen von den Leuten aus Etretat, Loges, Vaucottes und den Fischern aus Fécamp.«
    Er erinnerte sich an andere Beerdigungen auf dem Land, glaubte den Duft von Calvados zu riechen und sagte sehr ernst:
    »Heute Abend werden die Leute alle betrunken sein.«
    »Das kann gut sein«, räumte Castaing ein und war etwas überrascht von den Gedankengängen des berühmten Kommissars. Es gab keine Muscheln zum Essen, und so aßen sie Ölsardinen und Sellerie mit Remouladensoße als Vorspeise.
2
Valentines Vergangenheit
    Er stieß die Gartentür auf, die nicht verschlossen war, und ging, da er keine Klingel entdecken konnte, in den Garten. Noch nirgends hatte er so viele Pflanzen auf so engem Raum gesehen. Die blühenden Büsche standen so dicht nebeneinander, dass man sich wie in einem Urwald fühlte. Auf dem kleinsten freien Fleckchen blühten Dahlien, Lupinen, Chrysanthemen und andere Blumen, deren bunte Farbenpracht Maigret nur von den Samentüten in den Auslagen

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