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Maigret und Pietr der Lette

Maigret und Pietr der Lette

Titel: Maigret und Pietr der Lette Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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versucht.
    Maigret verfuhr wie die anderen auch. Und wie sie bediente er sich ungewöhnlicher Hilfsmittel, die einen Bertillon, einen Reiss oder Locard in die Hände der Polizei lieferten und die eine Wissenschaft für sich darstellten.
    Aber er suchte, erwartete, belauerte vor allem den Riß. Mit anderen Worten: den Augenblick, in dem hinter dem Spieler der Mensch zum Vorschein kommt.
    Im Majestic hatte er den Spieler vor sich gehabt.
    Hier ahnte er etwas anderes. Die friedliche und ordentliche Villa war nicht Bestandteil des Kampfes, in den Pietr, der Lette, verwickelt war. Diese Frau vor allen Dingen, diese Kinder, die er gesehen oder gehört hatte, zählten zu einer anderen materiellen und moralischen Ordnung.
    Und deswegen wartete er, schlechtgelaunt im übrigen, denn Maigret liebte seinen dicken gußeisernen Ofen, sein Büro mit den schäumenden Biergläsern auf dem Tisch zu sehr, um nicht in diesem scheußlichen Unwetter unglücklich zu sein.
    Als er seinen Beobachtungsposten bezogen hatte, war es kurz nach zehn gewesen. Um halb eins endlich knirschten Schritte auf dem Kiesweg, wurde das Gartentor mit schnellen, genauen Bewegungen geöffnet, und eine Gestalt zeichnete sich zehn Meter von dem Kommissar entfernt ab.
    Das Gelände erlaubte ihm nicht, zurückzuweichen. So blieb er unbeweglich, ja, wie erstarrt stehen; seine durchnäßte Hose hing in langen Bahnen an ihm herab.
    Der Mann, der aus der Villa herauskam, trug einen schäbigen Trenchcoat, dessen abgenutzten Kragen er hochgeschlagen hatte. Auf dem Kopf hatte er eine graue Mütze.
    Diese Kleidung ließ ihn sehr jung erscheinen. Die Hände in den Taschen, die Schultern wegen des plötzlichen Temperaturwechsels fröstelnd hochgezogen, ging er den Hang hinunter.
    Er mußte einen Meter neben dem Kommissar vorbeikommen. Diesen Augenblick wählte er, um seinen Schritt zu verlangsamen, ein Päckchen Zigaretten aus der Tasche zu ziehen und sich eine anzustecken.
    Er schien absichtlich sein Gesicht in vollem Licht zu zeigen und dem Polizisten Gelegenheit zu geben, es genau zu betrachten.
    Maigret ließ ihn ein Stück weitergehen, dann folgte er ihm mit gerunzelter Stirn. Seine Pfeife war ausgegangen. Seine ganze Person drückte Mißmut aus, aber auch den brennenden Wunsch, zu begreifen.
    Denn der Mann im Trenchcoat glich dem Letten und glich ihm wieder nicht. Die gleiche Größe: etwa ein Meter achtundsechzig. Auch das gleiche Alter war ihm gerade noch zuzubilligen, obwohl er in dieser Kleidung eher sechsundzwanzig als zweiunddreißig Jahre alt wirkte.
    Nichts sprach dagegen, daß auf ihn die Personenbeschreibung zutraf, die Maigret auswendig wußte und deren Text er in der Tasche hatte.
    Und dennoch war es ein anderer Mann. Seine Augen zum Beispiel hatten einen weicheren, sehnsüchtigen Ausdruck. Ihr Grau war heller, als habe der Regen sie ausgewaschen.
    Er trug nicht den kleinen zahnbürstenförmigen Schnurrbart. Aber das war es nicht allein, was ihn veränderte.
    Noch andere Einzelheiten überraschten Maigret. Seine Haltung erinnerte in nichts an die eines Offiziers der Handelsmarine. Sie paßte nicht einmal in den Rahmen dieser Villa mit dem bürgerlichen, wohlhabenden Leben, das sie ausstrahlte.
    Die Schuhe waren abgenutzt, die Absätze schiefgelaufen. Als der Mann wegen dem Matsch seine Hosenbeine aufkrempelte, erblickte der Kommissar graue Baumwollsocken, die verwaschen und grob gestopft waren.
    Auf dem Trenchcoat bemerkte er unzählige Flecken. Das Gesamtbild entsprach einem Typus, den Maigret recht gut kannte, dem des europäischen Vagabunden, der fast immer aus dem Osten kommt, in den schlechtesten Absteigen von Paris übernachtet, zuweilen auf Bahnhöfen schläft, sich selten in die Provinz traut, dritter Klasse reist oder heimlich auf Trittbrettern oder in Güterzügen mitfährt.
    Wenig später hatte er den Beweis. In Fécamp gab es keine ausgesprochenen Spelunken, aber hinter dem Hafen zwei oder drei heruntergekommene Bistros, die eher von Kohlentrimmern als von Fischern besucht wurden.
    Zehn Meter von diesen Lokalen entfernt befand sich ein ordentliches, sauberes und freundliches Café.
    Doch der Mann im Trenchcoat ging daran vorbei, steuerte zielbewußt auf das verdächtigste der Bistros zu und stellte sich mit einer Geste an den Tresen, die für Maigret keinen Zweifel offenließ.
    Es war eine vertrauliche, einfache und pöbelhafte Geste, die der Kommissar beim besten Willen nicht hätte nachahmen können.
    Auch er betrat das Lokal. Der Mann hatte

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