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Maigret zögert

Maigret zögert

Titel: Maigret zögert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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halten Sie von ihr?«
    »Vielleicht bringe ich sie in einem meiner Stücke unter.«
    »Weil sie eine ungewöhnliche Frau ist?«
    »Hier gibt es niemanden, der gewöhnlich ist. Alle haben eine Macke.«
    »Ihr Chef auch?«
    »Er ist intelligent, das steht fest, sonst könnte er den Beruf, den er hat, nicht ausüben, aber er ist ein Sonderling, oder? Bei all dem Geld, das er verdient, könnte er immerhin was anderes tun, als nur hinter seinem Schreibtisch oder in seinem Sessel zu sitzen. Er ist wohl nicht sehr kräftig, was ihn aber nicht davon abhält...«
    »Wissen Sie von seinen Beziehungen zu Mademoiselle Vague?«
    »Alle wissen darüber Bescheid. Aber er könnte sich zehn, hundert Vagues leisten, wenn Sie verstehen, was ich meine.«
    »Und seine Beziehungen zu seiner Frau?«
    »Welche Beziehungen? Sie leben im selben Haus, begegnen sich in den Fluren, wie sich Leute auf der Straße begegnen. Einmal musste ich während des Mittagessens ins Esszimmer - ich war allein im Büro und hatte gerade ein dringendes Telegramm entgegengenommen... Also, sie saßen alle am Tisch wie in einem Restaurant, wie Gäste, die sich nicht kennen.« »Sie scheinen sie nicht gerade in Ihr Herz geschlossen zu haben.«
    »Ich habe es hier gar nicht so schlecht getroffen. Sie liefern mir Figuren...«
    »Komische?«
    »Komische und zugleich auch dramatische. Wie das Leben...«
    »Haben Sie von den Briefen gehört?«
    »Natürlich.«
    »Können Sie sich vorstellen, wer sie geschrieben hat?«
    »Jeder könnte sie geschrieben haben. Ich könnte es gewesen sein...«
    »Waren Sie es?«
    »Nein. Auf den Gedanken bin ich nicht gekommen.«
    »Verstehen Sie sich gut mit der Tochter?«
    »Mademoiselle Bambi?«
    Er zuckte die Schultern.
    »Ich frage mich, ob sie mich auf der Straße erkennen würde. Wenn sie etwas braucht, Papier, eine Schere oder irgendwas, kommt sie herein und bedient sich, ohne ein Wort zu verlieren, und ebenso stumm geht sie auch wieder hinaus.«
    »Stolz?«
    »Vielleicht nicht. Vielleicht ist es ihre Art.«
    »Glauben Sie auch daran, dass es zu einem Drama kommen könnte?«
    Er blickte Maigret mit seinen großen blauen Augen an.
    »Ein Drama kann sich überall ereignen. Sehen Sie, letztes Jahr, an einem ebenso schönen Sonnentag wie heute, wurde ein liebes altes Mütterchen genau vor dem Haus von einem Autobus überfahren... Nun, wenige Sekunden vorher hatte sie noch keine Ahnung, was ihr zustoßen würde.«
    Vom Flur her vernahm man eilige Schritte. Ein braunhaariger, mittelgroßer junger Mann in den Dreißigern blieb abrupt unter der Tür stehen.
    »Treten Sie ein, Monsieur Tortu.«
    Er trug eine Aktentasche in der Hand und machte eine wichtige Miene.
    »Kommissar Maigret, nehme ich an?«
    »Ihre Annahme ist richtig.«
    »Wollen Sie mich sprechen? Warten Sie schon lange auf mich?«
    »Ich warte eigentlich auf niemanden.«
    Er war ein recht hübscher Junge, dunkles Haar, gutgeschnittenes Gesicht, aggressiver Blick, der verriet, dass er entschlossen war, es im Leben zu etwas zu bringen.
    »Wollen Sie sich nicht setzen?« fragte er und ging zu seinem Schreibtisch, wo er die Aktentasche ablegte.
    »Ich habe heute schon lange genug gesessen. Ihr junger Kollege und ich haben uns ein bisschen unterhalten.«
    Rene Tortu war sichtbar schockiert von dem Wort Kollege, und er warf einen bösen Blick auf den jungen Schweizer.
    »Ich hatte etwas Wichtiges im Justizpalast zu erledigen.«
    »Ich weiß. Plädieren Sie oft?«
    »Immer wenn eine Schlichtung unmöglich ist. Maître Parendon tritt selten persönlich vor die Richter. Wir bereiten hier die Akten vor, und es ist dann meine Aufgabe ...«
    »Ich verstehe...«
    Dieser Junge zweifelte nicht an seiner Wichtigkeit.
    »Was halten Sie von Maître Parendon?«
    »Als Mann oder als Jurist?«
    »Beides.«
    »Als Jurist ist er seinen Kollegen haushoch überlegen, und kein anderer ist so tüchtig wie er, wenn es darum geht, den wunden Punkt in der Argumentation des Gegners zu erkennen.«
    »Als Mann?«
    »Da ich für ihn arbeite, sozusagen sein einziger Mitarbeiter bin, steht mir ein Urteil über ihn in dieser Hinsicht nicht zu.«
    »Halten Sie ihn für schwächlich?«
    »Ich würde es anders bezeichnen. Sagen wir, ich würde an seiner Stelle und in seinem Alter ein aktiveres Leben führen.«
    »Indem er zum Beispiel an den Empfängen seiner Frau teilnimmt, indem er mit ihr ins Theater oder ins Restaurant geht?«
    »Vielleicht. Man kann nicht nur mit Büchern und Akten leben.«
    »Haben Sie die Briefe

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