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Maigret zögert

Maigret zögert

Titel: Maigret zögert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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Sie das?«
    »Wenn etwas passieren soll, so wird die Gegenwart eines Polizisten, der sich weiß Gott wo gerade aufhalten mag, es nicht verhindern.«
    »Wissen Sie, dass Ihr Mann einen automatischen Revolver besitzt?«
    »Ja.«
    »Weiß er auch von Ihrer Pistole?«
    »Selbstverständlich.«
    »Und Ihre Kinder?«
    Vor Erregung den Tränen nahe, rief sie:
    »Meine Kinder haben mit all dem nichts zu tun, verstehen Sie das denn nicht? Sie kümmern sich nicht um uns! Sie leben ihr eigenes Leben. Unser Leben oder das, was davon übrig ist, ist ihnen herzlich egal!«
    Ihr Ton war wieder leidenschaftlich geworden, als ob bestimmte Themen sie automatisch in Wallung brächten.
    »Gehen Sie! Entschuldigen Sie, wenn ich Sie nicht hinausbegleite... Ich frage mich, was ich mir erhofft hatte... Soll geschehen, was geschehen muss! Gehen Sie nur wieder zu meinem Mann oder zu diesem Mädchen! Adieu, Monsieur Maigret!«
    Sie hatte die Tür geöffnet und wartete, bis er hinaus war, um sie hinter ihm zu schließen. Gleich im Flur hatte der Kommissar das Gefühl, aus einer anderen Welt getreten zu sein, und das Blau des Boudoirs, das er verlassen hatte, lag noch drückend auf ihm.
    Durch ein Fenster blickte er auf den Hof, wo ein Chauffeur ein Auto blank rieb. Es war ein anderer Chauffeur und auch ein anderer Wagen als am Vormittag. Immer noch schien die Sonne, und es wehte ein leichter Wind.
    Er hatte Lust, einfach seinen Hut zu nehmen - er wusste ja, wo die Garderobe war - und ohne ein Wort das Haus zu verlassen. Aber dann ging er doch wie aus einem inneren Zwang in Mademoiselle Vagues Büro.
    Sie hatte einen weißen Kittel über ihr Kleid gestreift und war mit dem Fotokopieren von Dokumenten beschäftigt. Die Jalousien waren heruntergezogen und ließen nur dünne Lichtstrahlen durchsickern.
    »Wollen Sie zu Monsieur Parendon?«
    »Nein.«
    »Dann ist gut, denn er hat gerade eine Besprechung mit zwei wichtigen Klienten. Der eine ist aus Amsterdam, der andere aus Athen. Beides Reeder, die...«
    Er hörte gar nicht hin. Sie ging die Jalousien hochziehen, und Sonne flutete in das kleine Zimmer.
    »Sie sehen müde aus.«
    »Ich habe eine Stunde bei Madame Parendon verbracht.«
    »Ich weiß.«
    Er schaute auf das Telefon.
    »Haben Sie ihr die Verbindung mit dem Quai des Orfevres hergestellt?«
    »Nein. Ich wusste gar nicht, dass sie telefoniert hatte. Als Lise kam und mich um eine Briefmarke bat, hat sie...«
    »Lise?«
    »Das Zimmermädchen.«
    »Ich weiß. Was für ein Mensch ist sie?«
    »Ein einfaches Mädchen, wie ich auch. Wir kommen beide aus der Provinz, ich aus einer Kleinstadt, sie vom Lande. Da ich eine gewisse Ausbildung besaß, bin ich Sekretärin geworden, sie aber hat nichts gelernt, also ist sie Zimmermädchen geworden.«
    »Wie alt ist sie?«
    »Dreiundzwanzig. Ich kenne das Alter von jedem hier, weil ich die Formulare für die Sozialversicherung ausfülle.«
    »Ist sie ergeben?«
    »Was man ihr aufträgt, erledigt sie gewissenhaft, und ich glaube nicht, dass sie ihre Stelle aufgeben will.«
    »Hat sie Liebhaber?«
    »An ihrem freien Tag, samstags...«
    »Ist sie intelligent genug, um die Briefe, die Sie gelesen haben, geschrieben haben zu können?«
    »Bestimmt nicht.«
    »Wussten Sie, dass Madame Parendon, das ist jetzt ungefähr ein Jahr her, Sie mit ihrem Mann überrascht hat?«
    »Ich habe Ihnen gesagt, dass das einmal vorgekommen war. Vielleicht hat sie auch sonst noch ein paarmal die Tür leise auf- und wieder zugemacht.«
    »Hat Parendon Ihnen anvertraut, dass seine Frau sich ihm seither verweigert?«
    »Sie haben so selten miteinander geschlafen!«
    »Warum?«
    »Weil er sie nicht liebt.«
    »Nicht oder nicht mehr liebt?«
    »Es hängt davon ab, welchen Sinn man dem Wort >lieben< beimisst. Er ist ihr bestimmt dankbar gewesen, dass sie ihn geheiratet hat, und er hat sich jahrelang bemüht, ihr diese Dankbarkeit zu zeigen.«
    Maigret lächelte bei dem Gedanken, dass auf der anderen Seite der Wand zwei mächtige Tankerflottenbesitzer verhandelten, die aus entgegengesetzten Ländern Europas kamen und ihr Wohl in die Hände des kleinen Mannes legten, von dem er und Mademoiselle Vague gerade in so einer Weise sprachen.
    Für sie war er kein schmächtiger Gnom, der halb impotent und in sich verschlossen war und krankhafte Gedanken wälzte, sondern er war für sie eine der Leuchten des Seerechts. Spielten diese drei Männer nicht gerade mit Hunderten von Millionen Francs, während Madame Parendon, die wütend oder

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