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Maigret zögert

Maigret zögert

Titel: Maigret zögert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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ich heute zu spät zur Schule komme.«
    »Wo ist das Zimmer Ihrer Schwester?«
    »Zwei Türen weiter.«
    »Immer noch böse?«
    »Sie tun Ihre Pflicht...«
    Der Junge knallte seine Tür hinter ihm zu. Kurz darauf klopfte Maigret an Bambis Tür, hinter der er das Geräusch eines Staubsaugers vernahm. Ein Dienstmädchen mit sehr hellem, weich fallendem Haar öffnete ihm.
    »Suchen Sie mich?«
    »Heißen Sie Lise?«
    »Ja. Ich bin das Zimmermädchen. Wir sind uns schon einmal in einem der Flure begegnet.«
    »Wo ist Mademoiselle?«
    »Vielleicht im Esszimmer? Vielleicht bei ihrem Vater oder bei ihrer Mutter? Das ist im anderen Flügel.«
    »Ich weiß. Ich war gestern bei Madame Parendon.«
    Die Tür zum Esszimmer stand offen, und er konnte die von oben bis unten getäfelten Wände sehen. Auf dem Tisch, an den gut zwanzig Personen gepasst hätten, lagen zwei Gedecke. Bald würden Bambi und ihr Bruder hier sitzen, zwischen sich die lange, tischtuchbedeckte Tafel, und ein gediegener Ferdinand in weißen Handschuhen würde sie bedienen.
    Er kam am Arbeitszimmer des Anwalts vorbei und warf einen Blick durch die Tür. Der Anwalt saß wieder wie am Vormittag in seinem Sessel. Auf einem Klapptisch standen eine Flasche Wein, ein Glas und ein Teller mit belegten Broten. Parendon rührte sich nicht. Vielleicht hatte er nichts gehört. Die Sonne schien auf seinen Schädel, der kahl wirkte.
    Der Kommissar schloss die Tür wieder und fand den Korridor, durch den er gestern zum Boudoir gelangt war. Als er jetzt wieder vor der Tür stand, hörte er drinnen eine energische, dramatische Stimme, die er noch nicht kannte.
    Er konnte die Worte nicht verstehen, aber man spürte die Leidenschaft, mit der sie gesprochen wurden.
    Er klopfte sehr laut. Die Stimme verstummte plötzlich, und gleich darauf öffnete sich die Tür.
    Ein junges Mädchen stand vor ihm, atemlos, mit blitzenden Augen. Sie musste ein paarmal schlucken, ehe sie fragen konnte:
    »Was wollen Sie?«
    Hinter ihr hatte sich Madame Parendon, die immer noch das blaue Negligé trug, zum Fenster gedreht und verbarg so ihr Gesicht vor ihm.
    »Ich bin Kommissar Maigret...«
    »Das kann ich mir denken. Na und? Haben wir nicht mehr das Recht, unter uns zu sein?«
    Sie war nicht schön, aber sie hatte ein sympathisches Gesicht und eine wohlproportionierte Figur. Sie trug ein einfaches Kostüm und hielt die Haare auf altmodische Art mit einem Band zusammen.
    »Mademoiselle, bevor Sie zu Tisch gehen, hätte ich mich gern kurz mit Ihnen unterhalten.«
    »Hier?«
    Er zögerte, denn er hatte bemerkt, dass die Schultern der Mutter zitterten.
    »Nicht unbedingt. Wo Sie wollen.«
    Bambi trat ohne einen Blick zurück, aus dem Zimmer, schloss die Tür, fragte:
    »Wohin sollen wir gehen?«
    »Zu Ihnen?« schlug er vor.
    »Da macht Lise gerade sauber.«
    »In eines der Büros?«
    »Egal.«
    Ihre Feindseligkeit richtete sich nicht ausdrücklich gegen Maigret, sondern war eher ihrer Verfassung zuzuschreiben. Maigret war mitten in eine heftige Auseinandersetzung mit ihrer Mutter geplatzt, und jetzt ließen ihre Nerven sie im Stich, und sie folgte ihm erschöpft.
    »Nicht zu...«, fing sie an.
    Nicht zu Mademoiselle Vague, natürlich nicht. Sie gingen in das Büro von Tortu und Julien Baud, die beim Mittagessen waren.
    »Haben Sie Ihren Vater gesehen?... Setzen Sie sich.«
    »Ich stehe lieber.«
    Sie war zu erregt, um still auf einem Stuhl sitzen zu können.
    »Wie Sie wollen.«
    Er setzte sich auch nicht, sondern lehnte sich an Tortus Schreibtisch.
    »Ich habe Sie gefragt, ob Sie Ihren Vater gesehen haben.«
    »Nicht seit ich zurück bin.«
    »Wann sind Sie nach Hause gekommen?«
    »Viertel nach zwölf.«
    »Wer hat es Ihnen gesagt?«
    »Der Pförtner.«
    Lamure schien beide Geschwister abgepasst zu haben, um ihnen brühwarm die Neuigkeit zu berichten.
    »Und dann?«
    »Dann was?«
    »Was haben Sie gemacht?«
    »Ferdinand hat mich sprechen wollen, aber ich habe keine Lust gehabt, ihm zuzuhören, und bin direkt in mein Zimmer gegangen.«
    »Dort haben Sie Lise getroffen?«
    »Ja. Sie putzte das Badezimmer. Durch das, was geschehen ist, ist sie mit allem sehr in Rückstand geraten.«
    »Haben Sie geweint?«
    »Nein.«
    »Sie haben nicht daran gedacht, Ihren Vater aufzusuchen?«
    »Vielleicht. Ich erinnere mich nicht. Ich bin nicht zu ihm gegangen.«
    »Sind Sie lange in Ihrem Zimmer geblieben?«
    »Ich habe nicht auf die Uhr gesehen. Fünf Minuten, vielleicht etwas länger.«
    »Was haben Sie

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