Makers
Jahr 2005 sprach er über die Herausforderungen,vor der die Designer von BMW ständen: Das Unternehmen arbeitet immer mit mehreren Dutzend Designs gleichzeitig, von der 3er-Reihe für 30000 Dollar bis zur 7er-Reihe für 70000 Dollar. Alle BMW-Autos sollen »aussehen wie BMWs«, das heißt, es soll eine gewisse Familienähnlichkeit zwischen ihnen bestehen. Aber wenn der doppelt so hohe Preis der 7er-Reihe gegenüber der 3er-Reihe gerechtfertigt sein soll, dürfen sie sich nicht zu ähnlich sein. Stattdessen sollte ein 7er mehr den anderen Modellen der 7er-Reihe ähneln.
Was macht einen BMW zu einem BMW? Und was macht einen 7er-BMW zu einem 7er-BMW? An den technischen Daten allein kann es nicht liegen. Es muss ein gemeinsames ästhetisches Element geben, das sich nicht in Worte fassen lässt, aber leicht erkannt wird. Vor Jahrzehnten zeichnete die Fähigkeit dazu einen Meisterdesigner aus, und wenn man für BMW oder Apple arbeitet, also Unternehmen, die sich über ein unverwechselbares Design definieren, ist das wahrscheinlich auch heute noch so. Aber heute übernimmt in den meisten Firmen ein Algorithmus diese Aufgabe. Software wird immer mehr zur treibenden Kraft hinter dem Designprozess. Die Grundzüge werden von Menschen festgelegt, aber die Details und Variationen werden von Programmen ergänzt, die den Vorgaben von Materialeigenschaften und effizienter Produktion folgen und leicht für zahllose Varianten abgewandelt werden können.
Carpo erklärt es konkret: »Algorithmen, Software, Hardware und numerisch gesteuerte Werkzeugmaschinen stellen die neuen Standards im Produktdesign dar … Beim mechanischen Prägedruck wird mehreren Objekten dieselbe Form eingeprägt, während bei einem algorithmischen Prägedruck Form und Tiefe des Drucks von einem Objekt zum anderen verändert und abgewandelt werden können.«
Das klingt vertraut? Es klingt nach der »individualisierten Massenfertigung«, die die erste Welle des Internethandels vor zehn Jahren versprach. Wenn ein Produkt nach Wunsch gebaut werden kann, warum sollte es dann nicht auch nach Wunsch entworfen werden? Zumindest könnte man dem Kunden die Möglichkeit bieten, das Produkt an seinen Geschmack anzupassen. Dells Erfolg mit kundenspezifischen Computern schien eine Ära einzuläuten, in deralles auf diese Weise hergestellt und verkauft würde, von Autos bis Kleidung.
Aber diese Ära gab es nicht, zumindest nicht im erwarteten Umfang. Autos werden, zum Beispiel, vor allem nach Verlässlichkeit ausgesucht. Je mehr unterschiedliche Alternativen es im Produktionsprozess gibt, umso eher steigt die Fehlerquote. Ohne ein perfektes 3-D-Modell der Kunden (und ein telepathisches Wissen über ihre Vorlieben) kann man Kleidung nur schwer nach Maß fertigen, weswegen Schneider auch heute noch bei Männern die Beininnenlänge messen.
Die bekanntesten Beispiele für individualisierte Massenfertigung sind auch heute noch trivial, und vor allem schon lange nicht mehr neu: NikeiD-Schuhe (wo man eigene Muster für Standardsportschuhe entwerfen kann), individuell bedruckte M&Ms und Ähnliches mehr. Dass der eigene Name auf die Rückseite eines iPad gedruckt wird, ist schwerlich eine industrielle Revolution.
Selbst bei Dell gibt es kaum noch individualisierte Massenfertigung. Heute kann man nur noch unter den Standardmodellen auswählen mit zwei oder drei Wahlmöglichkeiten für Speicher, CPU, Festplatte und Grafikkarte, und wenn man sich nicht für die beliebteste Kombination entscheidet (die Dell auf bewährte Art in Serie herstellt), verzögert sich die Auslieferung um zwei zusätzliche Wochen. Autohersteller machen es genauso. Sie alle stellten fest, dass mehr Auswahl zu mehr Qualitätsschwankungen führt und die Lagerbestände schwerer kalkulierbar macht. Wenn Konsumenten vor die Wahl gestellt werden zwischen unbegrenzt vielen Varianten und Produkten, die billig, verfügbar und verlässlich sind, entscheiden sich die meisten für die sichere Alternative: die Einheitsversion.
Entsprechend selten sind auch die Angebote, wo Kunden ihre eigenen Produkte online entwerfen können. Threadless (T-Shirts), Lulu (Veröffentlichungen von Büchern im Selbstverlag), CafePress (Kaffeetassen und anderer Kleinkram) und ähnliche Firmen sind gut im Geschäft, aber sie sind weniger Musterbeispiele für individualisierte Massenfertigung als Plattformen für Kreativität. Sie ermöglichen den Kunden lediglich, kleine Chargen von standardisierten Grundprodukten herstellen zu lassen,
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