Makroleben
direkt an. „Ich glaube, du würdest ein Jahrhundert dafür aufwenden, um zu beweisen, daß ich unrecht habe, aber ich glaube auch, daß du am Ende zeigen würdest, daß die Schwierigkeiten noch größer sind, als wir uns das vorstellen. Das soll wiederum nicht heißen, daß du es nicht versuchen sollst, das zu tun, aber da gibt es noch einen weiteren Punkt, den du nicht in Erwägung gezogen hast.“
„Und der wäre?“
„Missionare geben das weitere Leben ihrer eigenen Kultur, ihre eigenen Ursprünge auf. Sie werden zu Eingeborenen, aber nicht vollständig. Es ist nicht möglich, das ganz fertigzubringen. Es ist ein Exil. Du wirst herausbekommen, daß es immer noch eine Angelegenheit zu erledigen gibt, einen Punkt, der richtiggestellt werden muß, ganz gleich, wie lange du lebst.“
„Du meinst eigentlich gar nicht wirklich, daß ich es auch nur versuchen soll, ist es nicht so? Das ist nur deine Art, beide Seiten in einer Diskussion abzudecken.“
„Intelligenz ist widerstandsfähig. Sie nutzt sich durch die Auseinandersetzung mit Problemen selbst, und diese Befriedigung sollte ihr nicht verweigert werden. Du ähnelst als Makroweltler dem erwachsenen Sohn, der seine Eltern umerziehen will, oder den Eltern, die das Kind nicht sein eigenes Leben leben lassen wollen. Oder nimm mich – ich stecke meine Nase in dein Leben, und doch mußt du dein eigenes Leben leben. Das kann ich dir nicht abnehmen.“
„Ich hätte nicht auf Lea gehen sollen.“
„Sicher hättest du das. Vielleicht findest du einen Weg, das zu tun, was du willst, und wir lernen von dir. Du spielst zumindest nicht mit einem trivialen Problem herum, wie das viele, die ich aus deiner Altersgruppe kenne, tun.“
John fühlte sich erschöpft und geschlagen, aber ein Teil seiner Unruhe schien verschwunden zu sein. „Ich glaube, ich schaue mir einmal Richard Bulero an“, sagte er, „aber ich zweifle daran, daß mir das helfen wird.“
„Vielleicht hast du recht“, sagte Blackfriar. „Nicht jedes Problem hat eine Antwort.“
Als John aufstand, bemerkte er in Franks Ausdruck eine Veränderung, und plötzlich hatte er das Gefühl, daß er Blackfriar überhaupt nicht kannte.
In der Bibliotheksnische des Apartments rief John das Hauptwerk Richard Buleros, Die Soziologie des Makrolebens, ab. Der Schreibtisch-Schirm brachte eine kurze biographische Notiz:
RICHARD BULKRO (2001 – 2045)
Politischer Philosoph und Soziologe. Nach Dandridge Cole und Gerard K. O’Neill der bedeutendste Theoretiker des Makrolebens. Schüler seines Onkels, des unbedeutenden Wissenschaftsphilosophen des zwanzigsten Jahrhunderts. Samuel Bulero. Zusammen mit Orton Blackfriar und Margot Toren bei einem Explosionsunglück während des Baus der zweiten Makrowelt bei Centauri umgekommen.
Das Bild schaltete sich um und zeigte nun Titel von Biographien, ein Verzeichnis der gesammelten Werke und Codes für Querbezüge auf Janet Marquand Bulero, Jack Bulero und einer Reihe von historischen Persönlichkeiten, die dazu in Bezug standen.
John schaltete auf das Werk selbst weiter. Er hatte vor, schnell diagonal zu lesen, um sich einen guten Allgemeineindruck zu verschaffen, bevor er eine nähere Beschäftigung damit in Betracht zog.
Dokument A-2050
Manuskript – maschinenschriftliche IBM-Buchtypen
Posthume Veröffentlichung. Asterom 2050 n. Chr.
DIE SOZIOLOGIE DES MAKROLEBENS
von Richard Bulero
Er hatte nicht erwartet, das Originalmanuskript zu sehen. Die Schreibmaschinenschrift auf dem Schirm wirkte merkwürdig direkt und real. Da war die Vergangenheit und streckte die Hand nach ihm aus. Er begann zu lesen, und die Worte schienen in seinem Kopf zu sprechen, als seien es seine eigenen.
Einführung
Die zentrale politische Tatsache des Makrolebens liegt darin, daß Macht nur für die Aufrechterhaltung des ökonomischen Rahmens dient, der Freiheit ermöglicht, ökonomisches Management und politische Autorität sind darauf beschränkt, die kreativen und konstruktiven Möglichkeiten in dem sozialen Container zu verbessern. Diese Regierungsgewalt und der physische Bau bilden den sozialen Container, die Grundlage, die erhalten werden muß, wenn die Gesellschaft sich fortpflanzt, welche anderen Stilarten der soziale Organismus auch entwickeln mag. Ein Angriff auf diese essentiellen Grundlagen des Makrolebens von außen bringt keine moralischen Probleme mit sich, da die Verteidigung von wirklich freien Institutionen immer gerechtfertigt ist.
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