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Malchatun

Titel: Malchatun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Tralow
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gesehen, Osman«, sagte sie leise, »es im Tode gesehen. Es war leer.«
    »Du hast mich nie geliebt!« verschloß sich Osman; denn er wollte sie - seine Frau wollte er und nicht ihre Betrachtungen.
    »Du bist immer noch Knabe«, meinte sie jedoch mit einer tiefen Zärtlichkeit, der er sich trotzig entzog. »Du kanntest ihn und nanntest dich seinen Freund. Er war klug und abhold aller rohen Willkür, die mir so zuwider war . . .«
    »Ein Zierbengel, ein Geck, ein Frauenheld!« schrie Osman.

»Kumral nannte Salmenikos nicht gut und nicht schlecht und meinte, daß Eitelkeit dessen Denken sei. Und wenn mich die Leute auch gelehrt nannten, so war ich damals jünger -vergiß das nicht, mein Osman, und auch das andere nicht, daß ich ihn schließlich verwarf.«
    »Warum verwarfst du ihn?« bedrängte Osman sie. »Sag es mir, Malchatun. Warum?«
    »Ich bin dabei, es dir zu erklären«, erwiderte sie, »habe ein wenig Geduld mit deiner Frau. Alles sollst du wissen, auch dieses: Das letzte Wort, mit dem ich mich von Salmenikos schied, entsprach nicht der Wahrheit. Ich könnte ihm nicht vergeben, sagte ich, denn ich habe ihn zu sehr geliebt.«
    »Und jetzt willst du mich glauben machen, daß du ihn damals belogst?«
    »Ich belog ihn nicht. Damals. Denn wenn es mir auch seit langem so schien, daß ich mich geirrt habe - gewiß bin ich dessen erst heute.«
    »Und warum sprachst du mit mir nie darüber?« mißtraute er ihr immer noch.
    »Weil du mich nicht fragtest.«
    »Wie hätte ich dich fragen sollen?« lehnte er sich gegen diese Zumutung auf. »Was gewesen war, berührte mich nicht. Nur wenn dieser Tod alles von neuem aufrühren sollte . . .«
    »Du bekennst also«, unterbrach sie ihn, »daß du von meiner früheren Neigung zu Salmenikos genauso überzeugt warst wie ich. Wir irrten uns beide, und du kannst versichert sein, daß ich zwischen einem erloschenen Gefühl und einem, das nie bestand, einen Unterschied zu machen weiß. - Ich wollte, es wäre anders. Oh, mein Osman, ich wollte es«, brach es aus ihr, »mir würde alles viel leichter werden.«
    »Ich verstehe dich nicht«, wunderte er sich.
    »Gleich wirst du mich verstehen. Mit Salmenikos und mir trennten sich unsere Bekenntnisse und unsere Völker. Ich wußte es schon damals, und ich glaube, ich sagte es auch. Es waren nicht nur zwei Menschen, die voneinander schieden, und so frage ich auch dich: Was sind wir? Menschen mit eigenem Willen? Ist dieser Wille nicht zugleich der von vielen, die an uns glauben? Verbanden sich in uns nicht auch alle Menschen unseres Glaubens in diesem Lande, die Seßhaften und die Nomaden? Siehe, mein Osman, was mich von Salmenikos trennte, verbindet mich mit dir.«
    »Malchatun!« rief Osman, und ohne ihre abwehrende Geste hätte er sie an sich gerissen.
    »Erinnerst du dich noch der Waldwiese beim Dorfe Sindschirli?« fragte sie.
    »Ich erinnere mich, ich erinnere mich, Malchatun!«
    »Damals fühlte ich mich auf der Woge eines unaufhaltsam dahinfließenden Stromes von Völkern meiner Bestimmung entgegengetragen. Zu dir getragen! Und so wie damals habe ich unsere Ehe bis auf diese Stunde erlebt. - Eine Ehe kann vielerlei sein - mir war die unsere alles, etwas Unteilbares. Und da sie das nicht mehr sein kann, geht sie jetzt ihrem Ende entgegen.«
    Jeden Gedanken an eine solche Möglichkeit hatte er bis jetzt stets von sich gewiesen. Nun aber hatte Malchatun selbst ihn ausgesprochen, und das verschlug ihm die Rede. Seine Antwort war eine Gebärde der Fassungslosigkeit und des Erschreckens.
    »Du bist gütig, Osman, und du bist es, weil du von uns beiden immer der Stärkere warst«, kam sie auch schon jedem gesprochenen Wort von ihm zuvor. »Oder willst du es leugnen, daß du seit jenem Ramadan, da du mich im Hause meines Vaters zum erstenmal erblicktest, niemals mehr schwanktest? Während ich in die Irre ging, sahst du in mir die dir bestimmte Frau und in unserer Verbindung, ob du dir dessen bewußt warst oder nicht, die Vereinigung zweier Völker.«
    »Hör auf, dich herabzusetzen und mich zu erheben!«
    »Ich setze mich nicht herab - ich spreche die Wahrheit«, sagte sie. »Ich hatte dem Salmenikos gar nichts zu vergeben -er schuldete mir nichts. Nichts als Vernünftelei war mein Gefühl für ihn. Ich schmückte ihn mit dem, was längst dir gehörte . . .«
    »Malchatun! Und dennoch willst du . . .«
    »Zuverlässig weiß ich es erst heute, seit dieser Nacht. Ich konnte ihn vor mir liegen sehen und fühlte nichts. Ich lauschte in mich

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