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Malfuria. Das Geheimnis der singenden Stadt

Malfuria. Das Geheimnis der singenden Stadt

Titel: Malfuria. Das Geheimnis der singenden Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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einzige Fenster hier oben, das nicht rund war, und das einzige Fenster, durch das sie hindurchpasste – dummerweise auch das einzige Fenster, vor dem sich das Windrad der Mühle befand.
    »Lauf weg«, jammerte der alte Márquez. Es war ein Stöhnen, so qualvoll, dass es dem Mädchen ins Herz schnitt. All die Unfähigkeit, seinem Schützling zu helfen, lag darin verborgen, die Hilflosigkeit, den eigenen Körper zu kontrollieren.
    Etwas zerrte erneut an ihrem Arm, so fest, dass es wehtat. Sie verzog das Gesicht und dann wurde sie von den Füßen gerissen. Es war so, als hätte sie jemand am Oberarm gepackt und dann mit aller Kraft vom Fenster fortgezogen.
    Catalina schrie auf und fiel zu Boden.
    Mit dem Gesicht voran schlug sie auf den Dielen auf und für einen langen Augenblick tanzten Abertausende dunkler Punkte vor ihren Augen. Der Schmerz explodierte in ihrem Kopf und sie wusste nicht einmal mehr, wo genau sie war.
    Dann klärte sich die Sicht wieder, so schnell, wie sie verschwunden war. Sie sah den Raum jetzt aus einer ihr fremden Perspektive. Wände, die nicht da waren, wo sie hingehörten. Den Kartenmacher, der ganz schräg in der Luft stehend auf sie zuzukommen schien. Den Harlekin, der wütend zischte.
    Sie sprang auf. Jeder Knochen tat ihr weh, aber sie achtete nicht auf den Schmerz. Drei Schritte waren es nur bis zum Fenster, doch kaum war sie heran, spürte sie wieder etwas, diesmal an ihren Füßen.
    Es ging so schnell, dass sie gar nicht glauben konnte, was sie da sah. Aber sie hatte tatsächlich den Eindruck, als zöge ihr eigener Schatten sie mit aller Macht nach vorne. Ja, das musste es sein, eine andere Erklärung gab es einfach nicht.
    Der Schatten, der ihr bis zum Knie hinaufreichte, packte sie genau dort, am Knie. Ihr war, als umschlösse eine eisig kalte Hand ihr Bein, spindellange Finger, die sie wie in einem Schraubstock aus Frost gefangen hielten und sie aus dem Gleichgewicht brachten.
    Gerade noch konnte sie sich die Arme vors Gesicht halten, sonst wäre sie ungeschützt gegen die Wand geprallt. So traf es ihre Unterarme, was nicht minder wehtat.
    Sie taumelte erneut und sank zu Boden.
    Ein dürrer Schatten, der nur ein Faden war, packte einen ihrer Zöpfe und riss ihr den Kopf zur Seite. Sie kreischte auf, schlug nach dem Schatten, der ihren Kopf gegen die Wand stieß.
    Plötzlich ließ er sie los.
    Warum er das tat, wusste sie nicht, und es war ihr auch egal. Mein eigener Schatten hat sich gerade gegen mich gewandt, war alles, was sie denken konnte. Sie spürte, wie die Panik in ihr hochkroch, ihre Gedanken beherrschte und ihr die Kehle zuzuschnüren begann. Die Schmerzen in ihrem Armen und Beinen verbündeten sich mit dem Schrecken und wurden zu einer klebrigen Masse, die sie gefangen hielt und lähmte. Die sie übers Aufgeben nachdenken ließ, ihr Tränen in die Augen trieb. Tränen der Wut, Angst und Ratlosigkeit.
    Mühsam rappelte sie sich auf, als würde sie gerade erst gehen lernen.
    Der Schatten, der ihrem Arm entsprang, packte sie plötzlich am Handgelenk. Diesmal brüllte sie all ihre Wut und Erbitterung ins Zimmer hinaus und riss sich mit aller Kraft los.
    Es gelang ihr.
    Wie war es möglich, dass man seinen eigenen Schatten abschütteln konnte? Natürlich ist es nicht möglich, gab sie sich selbst die Antwort. Dennoch… der Schatten schien an Kraft eingebüßt zu haben. Ganz plötzlich.
    Catalina spürte einen winzigen Funken Zuversicht, der sofort wieder erstarb, als ihr Blick auf den Harlekin fiel, der jetzt mitten im Raum stand und reglos beobachtete, wie Márquez sich in Bewegung setzte und mit glasigen Augen auf Catalina zukam. Doch diesmal waren die Bewegungen des alten Mannes nicht mehr ungelenk und unschlüssig, sondern gleitend und zielstrebig. Er sah aus wie ein geiferndes Raubtier, das seine Beute ganz nah wusste und gleich schon zum letzten Sprung ansetzen würde.
    Raus aus dem Fenster, schrie es in Catalina.
    Sie griff nach einer Dose mit Farbpulver auf dem Fensterbrett. Manchmal hatten sich Márquez und sie die Farben selbst zurechtgemischt. Verzweifelt packte Catalina die Blechdose und warf sie dem Kartenmacher mit aller Kraft ins Gesicht. »Es tut mir leid«, flüsterte sie und weinte, als sie den alten Mann stürzen sah. Benommen wand er sich auf dem Boden, blinzelte. Schatten troffen ihm aus den Augen.
    Blind vor Tränen zwängte Catalina sich durch die kleine Fensteröffnung. Mit einem lauten Rauschen rasten die beiden Flügel nacheinander an ihrem Gesicht

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