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Malfuria. Das Geheimnis der singenden Stadt

Malfuria. Das Geheimnis der singenden Stadt

Titel: Malfuria. Das Geheimnis der singenden Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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dichten Wolke wurden sie, zu brennenden Stoffstückchen, die nur ein einziges Ziel vor Augen hatten.
    El Cuento hielt auf die brennenden Flicken und Fetzen zu und tauchte unter ihnen hinweg, als er sie erreichte. Helle Punkte flogen an Catalina und Jordi vorbei und beide spürten die winzigen Flammen, die der Windhauch fütterte und anwachsen ließ.
    Dann waren die Fledermausschatten da.
    Sie mussten spüren, dass sich etwas verändert hatte, doch es war zu spät, um ausweichen zu können. Aus den Jägern waren Gejagte geworden.
    Die brennenden Flicken und lodernde Fetzen warfen sich ihnen entgegen und die Flammen zerfetzten die Schattenwesen, als seien sie nichts als böse Gedanken gewesen. Wie dunkle Wolken, so verschwanden die Schatten vom Firmament, als habe es sie nie gegeben.
    »Sie haben es geschafft«, sagte Jordi tonlos und atmete tief durch.
    »Aber zu welchem Preis?« Catalina wurde das Herz schwer.
    Glimmende Funken regneten durch die Luft. Bald würden die Fetzen und die Flicken nur noch Asche sein. Sie hatten gewusst, dass sie einen Angriff nicht überleben würden – und dennoch hatten sie getan, wozu nur sie in der Lage gewesen waren.
    »Sie haben es für euch getan«, sagte El Cuento. »Seid also nicht traurig.«
    Der Flickenfetzen drehte um und flog ganz langsam durch den Ascheregen. Gerade so, als wolle er sich noch leise und andächtig von seinen Brüdern und Schwestern verabschieden.
    »Alles im Leben«, sagte El Cuente, »verlangt nach einem Preis.«
    Catalina spürte die Tränen in den Augen. »Alles?«
    Der Wind wehte weiter. »Alles.«
    Schweigsam saßen der Junge und das Mädchen auf dem Flickenfetzen. Unter ihnen erstreckte sich die singende Stadt bis zum Horizont.
    »Du zitterst«, sagte Jordi.
    Dann ergriff er ihre Hand.
    Sie sah ihn an. »Du zitterst auch.«
    Dann begann sie zu weinen, bitterlich und untröstlich. Und als Jordi den Arm um sie legte, ließ sie ihn gewähren, einfach so.

Pla Cerdà
    Casa de les Punxes. Allein der Name klang wie ein Geheimnis.
    Am Canal de Girona senkte sich der Flickenfetzen in die Tiefe. Unter ihnen tauchte ein kleiner Platz mit einem Mosaikboden auf. Palmen säumten seinen Rand und eine Laterne leuchtete einsam. Bernsteinkäfer krabbelten in den Blumenbeeten und Glühwürmchen schwirrten in der Luft.
    »Warum bringt er uns ausgerechnet hierher?«
    Sie hatte El Cuento gefragt und Jordi die Antwort sogleich übersetzt. »Irgendwo in dieser Gegend befindet sich ein Haus namens Casa de les Punxes.« Und höchst bedeutungsschwanger hatte sie hinzugefügt: »Das Haus der Nadeln.«
    »Hört sich nicht gut an.«
    Sie musste plötzlich lachen, aber noch war es ein trauriges Lachen. Eben nur ein erster Versuch, nach allem, was geschehen war. Ihre Zöpfe wippten dabei auf und ab. »Das Haus der Nadeln ist eine Bibliothek«, erklärte sie. Natürlich verschwieg sie dem Jungen, dass sie selbst ebenfalls noch nie davon gehört hatte, bis El Cuento ihr vor wenigen Augenblicken schmunzelnd erklärt hatte, was die Casa de les Punxes war. Sie wollte einfach nicht dumm dastehen vor Jordi, das war alles.
    »Was tun wir da?«, hatte Catalina den Wind gefragt.
    »Du kannst dich dort verstecken.« Er hatte gelächelt, nur mit seiner Stimme; so, wie Winde es eben zu tun pflegen, wenn sie Dinge sehen, die anderen Augen verborgen bleiben. Dann hatte er hinzugefügt: »Ihr beide könnt euch dort verstecken.« Wieder das wissende Lächeln. »Außerdem willst du doch bestimmt herausfinden, was hier passiert.« Eine Frage war das nicht gewesen und folglich hatte El Cuento weitergesprochen, ohne eine Antwort abzuwarten. »Die Casa de les Punxes ist ein alter Ort der Bücher und Schriften. Wenn man etwas über die Welt erfahren will, dann sucht man in Büchern danach und fragt die Buchstaben. Das hat man immer schon getan. Und ich denke, dass du genau das tun willst.«
    Antworten. Ja, danach suchte sie.
    »Folgt uns jemand?« Jordi suchte den Himmel und die dunklen Ecken ab.
    Sie schüttelte den Kopf und ihr fiel auf, dass der Junge andauernd ihre Zöpfe anstarrte.
    »Nein«, sagte sie nur. Das mit den Zöpfen sprach sie gar nicht erst an. »Bisher nicht.«
    Sie warf einen Blick zurück. Die weißen Häuser von Montjuic waren ganz klein geworden. Wenn man genau hinschaute, dann sah man noch die Windmühle.
    Sie konnte nicht glauben, wie sorglos sie heute Nachmittag dorthin zurückgekehrt war, nicht ahnend, was passieren würde. Doch dann hatte Márquez ihr die Zeichnung gezeigt und

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