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Malfuria. Das Geheimnis der singenden Stadt

Malfuria. Das Geheimnis der singenden Stadt

Titel: Malfuria. Das Geheimnis der singenden Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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erinnerte sie an die Karten, die sie gezeichnet hatte. An ihre letzte Arbeit musste sie denken, die Küstenlinie von Eivissa, jene Karte, die, davon war sie überzeugt, nun niemals mehr fertig werden würde.
    Viel schlimmer jedoch war, dass sie gezwungen gewesen war, die Karte ihrer Mutter in der Windmühle zurückzulassen, wo sie unwiderruflich verloren war. Vielleicht hätte sie ihr von Nutzen sein können. Davon einmal abgesehen war sie das Einzige, was sie an ihre Mutter erinnerte. Die Karte und der Zettel, auf den sie das schwarze Schiff gekritzelt hatte.
    »Da kommt jemand.« Jordi stieß sie sachte an.
    Mit einem Knarren, leise wie Papiergeraschel, öffnete sich die Tür.
    »Guten Abend, kleine Dame. Guten Abend, junger Herr.« Ein spindeldürrer Mann, der so staubig war, dass ihn eine kleine, feine Wolke umgab, stellte sich den Neuankömmlingen vor: »Ich bin Firnis«, sagte er mit gedämpfter Stimme, »Firnis Cervantes.« Er lächelte. »Ich bin einer der wenigen Wortdeuter, Buchstabenfänger und Satzsetzer der Stadt. Wir kümmern uns um die alten Schriften und redseligen Bücher – und um alles andere auch.« Er machte selbst einen recht geschwätzigen Eindruck. »Womit kann ich euch dienen?« In den trüben Augen des Mannes, der nicht alt und nicht jung war, schwammen winzig kleine Buchstaben herum. Als er den verwunderten Blick des Jungen erkannte, sagte er sogleich: »Das kommt vor, wenn man lange Zeit in der Bibliothek arbeitet.« Und lächelnd fügte er hinzu: »Es tut nicht weh.« Einen hellen Anzug aus Leinen trug er und der Anzug sah aus wie das Weiß eines Buches, das zu lange in der Sonne gestanden hatte.
    Dann trat Cervantes zur Seite und gab den Blick frei auf eine Diele mit einem geschwungenem Treppengeländer, vielen Pflanzen und gusseisernen Laternen, die an Eisenhaltern aus den Wänden herausragten. Kerzen spendeten warmes Licht.
    »Ihr seid gekommen, um etwas zu erfahren.«
    Catalina nickte. »Wir haben Fragen.«
    Der Mann schien zu wissen, was sie meinte. »Ihr dürft mich Firnis nennen«, sagte er.
    »Ich heiße Catalina«, sagte Catalina. »Catalina Soleado.«
    »Habe ich dich schon einmal gesehen?«
    »Ich komme aus Montjuic. Aus der Windmühle.«
    »Ah, der alte Kartenmacher.«
    »Sie kennen ihn?«
    Firnis überlegte einen Moment lang. Die Buchstaben in seinen Augen führten einen nachdenklichen Tanz auf. »Nein«, murmelte er, »nein, eigentlich nicht. Aber das heißt nichts. Ich bin vergesslich. Weißt du, ich muss die Dinge aufschreiben, denn nur wenn sie Buchstaben geworden sind, kann ich sie festhalten.«
    Catalina nickte, weil sie dachte, dass ein Nicken in dieser Situation einfach höflich sei. Firnis wirkte ein wenig verwirrt, seltsam… vergeistigt. So, als wären seine Gedanken immer ganz woanders.
    »Und du? Wie ist dein Name?«
    »Jordi Marì«, sagte Jordi.
    »Dich kenne ich nicht.«
    »Mein Vater lebt auf dem Leuchtturm von Port Vell.«
    »Dann bist du ein Lichterjunge?«
    »Ja.«
    »Aber es ist dunkle Nacht. Und du bist hier.« Firnis schaute ihn eindringlich an. »Seltsam, seltsam. Solltest du nicht im Leuchtturm sein und dich um das Licht kümmern?«
    Gerade wollte Jordi etwas sagen, als der Mann abwinkte. »Nein, nein, nein, ich will gar nicht wissen, warum du nicht im Leuchtturm bist. Ich würde es ohnehin wieder vergessen, weil ich es mir nicht aufschreibe.«
    Jordi sagte nichts. Er hätte auch gar nicht gewusst, was er darauf hätte antworten sollen.
    »Aber ich kenne jetzt eure Namen und ihr kennt meinen.« Firnis ging ins Haus zurück und rief ihnen über die Schulter zu, sie mögen doch eintreten. »Es ist noch nicht zu spät, um sie zu lesen«, murmelte er und schlurfte seines Weges.
    Catalina und Jordi taten, wie ihnen geheißen wurde.
    »Er ist seltsam«, flüsterte Jordi.
    Firnis antwortete flink: »Das habe ich gehört.«
    »Ich…«
    Er drehte sich zu ihnen um. »Ich habe schlechte Augen, aber gute Ohren.«
    »Ich habe es nicht böse gemeint«, entschuldigte sich Jordi.
    »Das weiß ich, das weiß ich.« Der Mann zwinkerte ihnen beiden zu. »Wenn man zu viel mit Büchern zu tun hat, dann wird man ein wenig…«, er klopfte sich auf die Schulter, ». . . staubig.« Er grinste und es war, fand Catalina, ein außerordentlich nettes Grinsen. »Ich setze kaum noch einen Schritt vor die Tür, wisst ihr. Weil sie sonst alles auf den Kopf stellen hier drinnen.«
    »Wer?«
    Er sah das Mädchen an, als wolle er prüfen, ob die Frage ernst gemeint war.
    »Die

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