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Malfuria. Das Geheimnis der singenden Stadt

Malfuria. Das Geheimnis der singenden Stadt

Titel: Malfuria. Das Geheimnis der singenden Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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ihrem Arm und gleich darauf zerriss Jordis Schrei die Stille. Zu dem Schrei gesellte sich ein anderer Ton, der splitterte wie dünnes Eis.
    Die Schatten lösten sich von der Hand, sobald die Flammen sie berührten. Sie verbrannten nicht, es war, als würden sie sich einfach auflösen.
    Jordi zog die Hand zurück, presste sie an seinen Körper und krümmte sich vor Schmerzen.
    Catalina umarmte ihn von hinten und hielt ihn fest. »Die Schatten sind fort«, flüsterte sie. »Du bist wieder frei.« Sein Haar, dachte sie, riecht nach Sonne und Meer.
    »Mann, tut das weh!« Tränen liefen ihm übers Gesicht. Die Hand war dunkelrot, noch ganz heiß.
    Gerade wollte Catalina ihm Mut machen, als ein wütendes Kreischen die Luft erfüllte, so unwirklich, als sei es in den entlegensten Winkeln der Finsternis geboren worden.
    »Haltet euch fest!« El Cuento startete durch.
    Jordi hielt sich mit nur einer Hand an den Flickenfetzen fest, die andere Hand hatte er gegen die Brust gedrückt. Beide warfen einen Blick zurück.
    Die Fledermausschatten nahmen wieder Kurs auf den Flickenteppich. Doch so wütend ihr Ruf geklungen hatten, wirkte es doch so, als hätten ihre Kräfte nachgelassen. Catalina sah mit Erleichterung, dass sie keine Anstalten mehr machten, zu einem ihrer Sprünge anzusetzen.
    Jordi schaute Catalina an. »Danke.«
    Sie lächelte kurz. »Diese Dinger sind wirklich die Pest.«
    El Cuento flog dicht über der Wasseroberfläche. Er fegte flink mit den Flickenfetzen um Ecken, nutzte Winkel und Brücken, um die hartnäckigen Verfolger abzuschütteln. Bald sah es so aus, als hätte er Erfolg, denn die Schreie hinter ihnen tönten aus größerer Entfernung, wenn sie auch nicht ganz verebbten.
    Erschöpft starrten Catalina und Jordi in die Nacht, doch es war kein erleichtertes Schweigen zwischen ihnen. Jeder von ihnen hing stumm seinen Gedanken nach.
    »Ich wusste nicht, welche Macht sie haben«, flüsterte Jordi schließlich. »Die Harlekins. Sie sind überall.«
    Catalina dachte daran zurück, wie der Harlekin in der Tür der Windmühle gestanden hatte. Gar nicht so lange war das her. »Ich habe geglaubt, es ist nur einer«, sagte sie leise.
    Jordi schüttelte den Kopf. »Es sind viele. Und sie sind überall.« In knappen Worten erzählte er Catalina von den Maskierten. Davon, wie sie mit ihren leisen, leeren Blicken die Schattenaugenmenschen erschufen, die auf dem Dach am Fuße der Windmühle aufgetaucht waren.
    »Hast du eine Ahnung, woher sie kommen?« Catalina spürte, wie ihre Hände zitterten.
    Der Wind fauchte aus der engen Straßenschlucht empor und rauschte über die bunten Dächer von Eixample.
    »Siehst du den Leuchtturm dort drüben?«
    Unter ihnen flog die Carrer d’en Fontrodona dahin.
    La Marina, Dalt Vila und auch Port Vell waren in ihrem Blickfeld.
    »Gleich daneben liegt ein Schiff vor Anker.«
    Ja, jetzt sah sie es. Ein schwarzes Schiff mit dickem Bauch. Eine Galeone.
    »Sie heißt Meduza.« Er berichtete ihr, was er wusste. Viel war es nicht.
    »Sie ist wirklich geflogen?«
    »Ja, hoch am Himmel.«
    »Und du glaubst, dass die Harlekins mit der fliegenden Galeone hierhergekommen sind?«
    Er nickte.
    Erneut schaute sie zum dunklen Schiff hinüber. Ganz friedlich lag es da, und dennoch war es ein Schatten, der nicht in den Hafen zu gehören schien. Catalina fröstelte und fragte sich, ob die Kälte etwas mit dem Schiff zu tun hatte.
    »Als ich dem ersten Harlekin begegnete, da war mir mit einem Mal eiskalt. Das gleiche Gefühl hatte ich, als die Meduza nach Barcelona gekommen ist.« Jordi verzog das Gesicht und betrachtete seine Hand.
    Die Fledermausschatten kreischten Frostflüche in die Nacht hinaus. Der Flickenfetzen drehte ab und schlug einige Haken.
    »Die werden wir wohl nie loswerden!«, stöhnte El Cuento.
    Im Osten der Stadt glänzten die vier Spitztürme der Sagrada Família im Licht der vielen Laternen, die Barcelona mit einem warmen Schein umhüllten. Es war ein Anblick, der Erhabenheit atmete. Nichts deutete auf das Übel hin, das in die singende Stadt gekommen war.
    El Cuento zerrte den Flickenfetzen hinab in die nächste Straßenschlucht. »Ich habe eine Idee.« Sie rasten an Schildern vorbei: Carrer Tordera, Bonavista, Sant Pere Martir.
    Die Fledermausschatten stürzten sich hinter ihnen ebenfalls in die Tiefe.
    »Vielleicht können die Flickenfetzen uns helfen.«
    »Die Flickenfetzen?«
    El Cuento rauschte raschelnd unter ihr. »Ja, die Flickenfetzen.« Er betonte jede Silbe, als könne er

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