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Malka Mai

Malka Mai

Titel: Malka Mai Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mirjam Pressler
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Schwester Zippi ihren Namen rufen, weit weg, aus der Richtung des Krankenhauses, dann wurde es wieder still.
    Malka wartete, bis es richtig dunkel geworden war, dann kroch sie wieder zurück. In dieser Nacht schlief sie nicht im Krankenhaus. Sie war in einem Haus mitten im Ghetto die Treppen hinaufgestiegen bis unter das Dach, hatte den Apfel gegessen, den eigentlich Rafael hätte essen sollen, und schlief, dicht an einen Schornstein gedrückt, der wenigstens ein bisschen Wärme spendete.
    Erst am nächsten Abend ging sie, getrieben von Hunger, ins Krankenhaus zurück, pünktlich zur Abendsuppe. Die fremde Frau war nicht mehr da.

März
    Sie saßen alle um den großen Tisch, über dem eine Petroleumlampe hing, Hanna, Bronja, ihr Mann Frantek und Zygmunt, der den weiten Weg nicht gescheut hatte, um Malka zu sehen. Aber Malka war nicht da. Babka Agneta war allein zurückgekommen.
    Sie saß breitbeinig in ihrem Korbsessel, die Hände hilflos auf dem Schoß ausgebreitet, alte Hände, rissig und mit braunen Flecken überzogen. »Sie hat nicht gewollt«, sagte sie verzweifelt. »Sie hat sich losgerissen und ist weggerannt.« Sie wischte sich mit dem Schürzenzipfel über die Augen, bevor sie weitersprach. »Wir sind überall herumgelaufen, im ganzen Ghetto, und haben sie gesucht, diese Schwester und ich, aber wir haben sie nirgends gefunden. Dann musste ich weg, zum Zug.«
    Als niemand etwas sagte, flüsterte Babka Agneta in das Schweigen: »Was hätte ich denn tun sollen?«
    Hanna war wie betäubt. Plötzlich gingen ihr, wie auf dem Weg nach Munkatsch, die Sätze durch den Kopf: Es geht ihr gut. Sie liegt in einem Bett. Sie schläft. Sie hat es warm. Sie ist satt. Es geht ihr gut. Sinnlose Sätze, als hätten sich ihre Gedanken selbstständig gemacht.
    Mühsam riss sie sich zusammen. »Wie sieht sie aus?«, fragte sie. »Geht es ihr gut?«
    Babka Agneta hob die Hände und ließ sie wieder fallen. »Gut? Wie kann es einem Kind in so einer Lage gut gehen, ohne die Mutter? Sie ist sehr mager und kahl geschoren und ihre Augen sind sehr groß. Nein, es geht ihr nicht gut. Ich weiß, wie Kinder aussehen, wenn es ihnen gut geht.«
    »Kahl geschoren?«, rief Hanna entsetzt. »Sie haben ihr die wunderschönen Haare abgeschnitten?«
    Babka Agneta nickte. »Wegen der Läuse, nehme ich an.«
    Hanna legte den Kopf auf die verschränkten Arme und weinte. Bronja legte ihr die Hand auf die Schulter, aber Hanna beruhigte sich nicht. Sie weinte um Malkas abgeschnittenen Haare und wusste zugleich, dass sie aus Enttäuschung weinte, aus Verzweiflung darüber, dass Malka nicht mitgekommen war. Sie weinte, weil sie sich so hilflos und hoffnungslos fühlte.
    Und langsam wurde ihr klar, was sie die ganze Zeit verdrängt hatte. Auch wenn alles gut ging, auch wenn sie Malka zurückbekam, wäre sie nicht mehr das Kind, das sie in Pilipiec zurückgelassen hatte. Nicht nur, weil sie ihre blonden Zöpfe verloren hatte. Vielleicht war sie körperlich krank, vielleicht würde sie nie mehr gesund werden. Doch auch wenn sie körperlich keinen Schaden davontrüge, würde sie nie mehr das Kind von früher werden. Was passiert war, würde Narben in ihrer Seele hinterlassen, für immer und ewig. Die Erfahrungen, die Malka gemacht hatte, würden ihre Kindheit als behütete, schöne Tochter überlagern, würden sich über ihr Herz und ihre Seele legen. Es würde nie wieder gut werden. Und sie war schuld.
    Hanna hatte aufgehört zu weinen, aber sie wagte nicht, den Kopf zu heben, aus Angst, ihre Gedanken könnten ihr ins Gesicht geschrieben sein. Sie musste die Schuld in ihrem Inneren verschließen. Und plötzlich kam ihr ein Gedanke, der sie fast noch mehr erschreckte: Vielleicht war das der Preis, den sie nachträglich für ihren Kampf gegen ihre Familie bezahlen musste, für ihre Sehnsucht nach Ansehen und einer Position, die ihr, der Geburt nach, nicht zugestanden hätte. Sie sah ihren Vater vor sich, diesmal den Mann mit dem nackten Gesicht, das sie nur vom Foto kannte. Er schaute sie streng an und sagte: Hättest du auf mich gehört, wäre das alles nicht passiert. Aber du wolltest ja immer nur deinen Kopf durchsetzen. Das hast du jetzt davon.
    »Frau Doktor«, sagte Bronja. »Fassen Sie sich doch, Sie müssen stark sein.«
    Hanna hob den Kopf. Rotz lief aus ihrer Nase, aber das war ihr egal. »Ich gehe ohne das Kind nicht zurück«, stieß sie hervor. »Ich fahre selbst nach Stryj und hole Malka.«
    »Ausgeschlossen«, sagte Zygmunt, »das ist viel zu

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