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Malloreon 1 - Herrn des Westens

Malloreon 1 - Herrn des Westens

Titel: Malloreon 1 - Herrn des Westens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Eddings
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Schriftstück abgeschrieben hatte, versehentlich ein oder zwei Zeilen übersprungen hatte. Garion erinnerte sich, daß ihm das selbst einmal passiert war, und daß dadurch eine völlig harmlose Rede, die er halten wollte, zur unmißverständlichen Proklamation geworden wäre, mit der er seine Absicht kundtat, sich zum militärischen Diktator über alle Reiche diesseits des Ostkliffs zu ernennen. Als er beim Durchlesen darüber gestolpert war, hatte er die Anstoß erregenden Zeilen nicht bloß unlesbar gemacht, sondern das Blatt verbrannt, um sicherzugehen, daß niemand es je zu Gesicht bekam.
    Er stand auf und streckte sich, um seine verspannten Muskeln zu dehnen. Dann trat er an das mit einem Ziergitter versehene Fenster der Bibliothek. Der Herbsthimmel schimmerte in kühlem Blau. In den vergangenen Wochen waren die Nächte bereits recht kalt und die höheren Berge bei Sonnenaufgang mit Reif überzogen gewesen. Tagsüber war es sonnig und warm. Er warf einen Blick auf die Stellung der Sonne, um die Tageszeit abzuschätzen. Er hatte versprochen, sich mittags mit Graf Valgon, dem tolnedrischen Botschafter, zu treffen, und er wollte sich nicht verspäten. Tante Pol hatte immer gesagt, Pünktlichkeit sei die Höflichkeit der Könige, und Garion bemühte sich stets, diese Höflichkeit walten zu lassen.
    Er drehte sich zum Tisch um und rollte die beiden Schriftstücke geistesabwesend wieder zusammen. Seine Gedanken beschäftigten sich immer noch mit den widersprüchlichen Stellen. Dann blies er die Kerze aus und verließ die Bibliothek, die er zusperrte.
    Valgon war anstrengend wie immer. Garion hatte das Gefühl, daß Tolnedrer von Natur aus pompös waren und sie deshalb nichts ohne umständliche Ausschmückung sagen konnten. Das heutige Gespräch ging um die ›Priorität‹ des Löschens von Kauffahrtschiffen im Hafen von Riva. Valgon schien ganz vernarrt in das Wort ›Priorität‹ zu sein und fand eine Möglichkeit, es während ihrer Unterhaltung in jeden zweiten Satz einzufügen. Das Wesentliche seiner weitschweifigen Rede war eine Bitte – oder schon eher Forderung –, daß tolnedrische Kauffahrer immer den Vorrang über andere im etwas engen Hafen von Riva haben sollten.
    »Mein teurer Valgon«, begann Garion und überlegte noch eine diplomatische Formulierung für seine Ablehnung. »Ich glaube, daß diese Angelegenheit…« Er unterbrach sich, als die gewaltigen Flügel der Saaltür aufschwangen.
    Einer der zwei hochgewachsenen Gardisten, die stets Wache vor dem Thronsaal standen, wenn sich Garion darin aufhielt, räusperte sich und meldete mit einer Stimme, die man vermutlich noch auf der anderen Inselseite hören konnte: »Ihre Majestät Königin Ce'Nedra von Riva, Kaiserliche Prinzessin des Tolnedrischen Reiches, Befehlshaberin der Streitkräfte des Westens und geliebte Gemahlin seiner Majestät Belgarion von Riva, Gottbezwinger, Herr des Westmeers und Kaiser des Westens!«
    Gemessen betrat Ce'Nedra den Saal unmittelbar hinter dem Gardisten, trotz ihrer Zierlichkeit nicht unter dem Gewicht all dieser Titel gebeugt. Sie trug ein leuchtend grünes Samtgewand, das unterhalb des Mieders gerafft war, um ihren anschwellenden Bauch zu vertuschen. Ihre Augen blitzten spitzbübisch.
    Valgon drehte sich um und machte einen Kratzfuß.
    Ce'Nedra tupfte auf des Gardisten Arm, dann stellte sie sich auf Zehenspitzen und flüsterte ihm etwas zu. Der Posten nickte, wandte sich wieder dem Thron zu und räusperte sich erneut. »Seine Königliche Hoheit, Fürst Kheldar von Drasnien, Neffe des seligen König Rhodars und Vetter König Khevas, des Herrschers über die Sumpf lande des Nordens!«
    Erstaunt richtete sich Garion auf dem Thron auf.
    Silk machte einen großen Auftritt. Er prunkte in perlgrauem Samtwams, über dem eine schwere Goldkette mit riesigem Saphiranhänger hing, und an seinen Fingern funkelten Ringe. »Schon gut, meine Herren«, sagte er mit hoheitsvoller Geste zu Garion und Graf Valgon, »nicht nötig, daß Ihr Euch erhebt.« Er reichte Ce'Nedra galant den Arm, und die beiden schritten den breiten Mittelgang entlang, vorbei an den drei im Boden eingelassenen, nun glühenden Feuergruben.
    »Silk!« rief Garion.
    »Kein anderer!« antwortete Silk mit einer knappen Verbeugung. »Eure Majestät sehen blendend aus – wenn man bedenkt…«
    »Wenn man was bedenkt.«
    Silk zwinkerte ihm verschmitzt zu.
    »Ich bin schier überwältigt, einem so namhaften Kaufherrn erneut zu begegnen«, sagte Valgon höflich. »Eure

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