Malloreon 5 - Seherin von Kell
ihr tolnedrisches Erbe bedachte, tat Ce'Nedra etwas völlig Selbstloses. »Nein danke, Belgarath«, sagte sie. »Ich möchte Euch doch nicht von einem alten Freund trennen. Wenn wir gehen, können Garion und ich ihn zurücklegen, wo er war.« Belgarath lachte.
Geran und der junge Wolf spielten vor einem der Fenster miteinander. Es ging manchmal ein bißchen grob zu, und der Wolf benutzte jede Gelegenheit, Geran über Hals und Gesicht zu lecken, woraufhin der Junge immer laut kicherte.
Poledra schaute sich in dem vollgestopften runden Raum um. »Es ist schön, wieder zu Haus zu sein«, sagte sie. Liebevoll strich sie über die Rückenlehne des Sessels, auf der man deutlich unzählige Krallenspuren einer Eule sah. »Ich habe fast tausend Jahre hier oben auf diesem Sessel gehockt«, sagte sie zu Garion.
»Was habt Ihr da gemacht, Großmutter?« fragte Ce'Nedra. Fast unbewußt gewöhnte sie sich Garions Form der Anrede an, nur wagte sie offenbar das Du noch nicht.
»Ihn beobachtet«, antwortete die braunhaarige Frau. »Ich wußte, daß er schließlich einmal auf mich aufmerksam würde. Allerdings hatte ich nicht gedacht, daß es so lange dauern könnte. Ich mußte wirklich etwas Ungewöhnliches tun, ehe es soweit war.« »Oh?«
»Ich wählte diese Form«, sagte Poledra und deutete auf ihre Brust. »Er interessierte sich mehr für mich in meiner Frauengestalt als in meiner Eulen – oder Wolfsform.«
»Da ist etwas, das ich dich schon immer fragen wollte«, sagte Belgarath. »Als wir uns kennenlernten, waren keine anderen Wölfe in der Nähe. Was hattest du da draußen gemacht?« »Auf dich gewartet.«
Er blinzelte. »Du hast gewußt, daß ich kommen würde?« »Natürlich.« »Wann war das?« fragte Ce'Nedra.
»Bald nachdem Torak das Aldursauge gestohlen hatte«, antwortete Belgarath abwesend. »Mein Herr hatte mich nach Norden gesandt, damit ich Belar mitteilte, was geschehen war. Ich nahm Wolfsgestalt an, um schneller voranzukommen. Poledra und ich begegneten uns in der Gegend, die jetzt Nordalgarien ist.« Er blickte seine Gemahlin an. »Wer hatte dir gesagt, daß ich kommen würde?« fragte er.
»Das mußte mir niemand sagen, Belgarath«, antwortete sie. »Ich wurde mit dem Wissen geboren, daß du kommen würdest – eines Tages. Du hast dir allerdings ganz schön Zeit gelassen.« Sie blickte sich um. »Ich glaube, wir sollten hier ein bißchen aufräumen«, schlug sie vor. »Und vor die Fenster müssen unbedingt Vorhänge.« »Na, was habe ich gesagt?« wandte Belgarath sich an Garion.
Mit Küssen und Umarmungen – und ein paar Tränen – wurde Abschied genommen. Dann hob Ce'Nedra Geran auf den Arm und Garion den Wolf, und sie stiegen die Treppe hinunter.
»Oh«, sagte Garion, als sie auf der Treppe waren, »gib mir den Diamanten. Ich lege ihn zurück, wohin er gehört.«
»Meinst du nicht, daß ein normaler Stein den gleichen Zweck erfüllen würde, Garion?«
»Ce'Nedra, wenn du unbedingt einen Diamanten haben möchtest, kaufe ich dir einen.«
»Ich weiß, Garion, aber wenn ich den hier behalte, habe ich zwei.« Er lachte, nahm ihr den Edelstein aus der fest verkrampften kleinen Hand und legte ihn unter die Treppe zurück.
Dann saßen sie auf und entfernten sich im strahlenden Mittagssonnenschein vom Turm. Ce'Nedra hielt Geran, und der Wolf lief daneben her und rannte immer wieder los, um Hasen zu jagen. Nachdem sie ein kurzes Stück zurückgelegt hatten, vernahm Garion einen vertrauten wispernden Laut. Er zügelte Chretienne. »Ce'Nedra!« rief er und deutete zurück zum Turm. »Schau!« Sie drehte den Kopf. »Ich sehe nichts.«
»Wart einen Augenblick, sie werden gleich herauskommen.« »Sie?«
»Großmutter und Großvater. Siehst du, da sind sie schon!«
Zwei Wölfe sprangen durch die offene Turmtüre und rannten über die grasige Ebene. Eine ungezügelte Freiheit und ungeheure Freude sprach aus ihren geschmeidigen Bewegungen.
»Ich dachte, sie wollten mit Aufräumen anfangen«, sagte Ce'Nedra. »Das ist wichtiger, Ce'Nedra. Viel, viel wichtiger.«
Sie erreichten das Häuschen bei Sonnenuntergang. Durnik arbeitete noch auf dem Feld, und Polgara konnten sie in der Küche singen hören. Ce'Nedra ging ins Haus, während sich Garion mit dem Wolf zu Durnik gesellte.
Das Essen bestand an diesem Abend aus Gänsebraten.
»Wo hast du die Gans her, Pol?« wunderte sich Durnik. »Ich habe gemogelt«, gestand sie ungerührt. »Pol!«
»Ich erkläre es dir ein andermal, Liebes. Essen wir lieber, ehe
Weitere Kostenlose Bücher