Malory
kurzem mitgeteilt hatte, daß er Vaterfreuden entgegensehe, weshalb Anthony auch ein wenig blaß um die Nase war. Jeremy, dieser Halunke, war bester Stimmung, trotz der Tatsache, daß er jetzt erstmals seit sechs Jahren von seinem Vater getrennt sein würde. Im Stillen hatte er sich schon ausgemalt, was alles so passieren könnte, wenn er allein unter den Fittichen seines Onkels Tony zurückblieb. Aber Jeremy sollte noch früh genug feststellen, daß Jason und Eddie ebenfalls ein Auge auf ihn werfen und ihn viel strenger an die Kanda-re nehmen würden, als es damals James und sein erster Steuermann Conrad getan hatten.
Die einsetzende Flut machte dem Verabschiedungsspekta-kel bald ein Ende. James hätte das Stampfen und Schaukeln des Schiffes an der Kaimauer sowieso nicht länger ertragen, denn ihn quälte ein furchtbarer Kater, für den er seinen lieben Bruder Tony verantwortlich machte. Um ein Haar hätte er den Brief für Anthonys Frau vergessen, in dem er ihr die Sache mit dem Barmädchen, das sie mit ihrem Mann im Bett vermutet hatte, erklären wollte. Er rief Jeremy noch einmal zu sich an den Landungssteg und übergab ihm die Nachricht.
»Sieh zu, daß deine Tante Roslynn den Brief erhält, aber nicht, wenn Anthony in der Nähe ist.«
Jeremy ließ den Zettel in der Hosentasche verschwinden:
»Es ist doch ein Liebesbrief, oder?«
»Liebesbrief?« schnaubte James entrüstet. »Mach daß du weg kommst, Bengel. Und paß auf dich ...«
»Ich weiß, ich weiß«, hob Jeremy beschwörend seine Hän-de, »ich werde nichts tun, was du nicht getan hättest.« Damit drehte sich Jeremy um und rannte schnell den Landungssteg hinunter, bevor sich ihn sein Vater wegen dieser frechen Antwort greifen konnte. Doch auf James' Gesicht lag ein stolzes Grinsen. Er drehte sich um und stand plötzlich Conrad Sharpe, seinem ersten Steuermann und bestem Freund gegenüber.
»Was war das denn?«
James zuckte die Schultern, obwohl er genau wußte, daß Connie den Zettel bemerkt hatte. »Ich wollte meinem Bruder ein wenig unter die Arme greifen. So wie Tony von seiner Frau abgekanzelt wurde, bringt er so schnell kein Bein mehr auf den Boden.«
»Ich dachte, du wolltest dich nicht einmischen«, erinnerte ihn Connie.
»Nun ja, er ist halt mein Bruder. Obwohl, nachdem er mir letzte Nacht so übel mitgespielt hat, hätte ich mich eigentlich nicht um ihn kümmern dürfen.« Er hielt Connies fragendem Blick ein tapferes Lächeln entgegen, obwohl es in seinem Kopf furchtbar dröhnte. »Dieser Schweinehund ist schuld, daß es mir jetzt so miserabel geht.«
»Du hast doch wohl auch etwas dazu beigetragen?«
»Selbstverständlich, ich konnte doch nicht zulassen, daß dieser Kerl mich unter den Tisch säuft, oder? Wirst du das Ablegen übernehmen, Connie? Ich fühle mich im Moment nicht dazu in der Lage. Komm dann später in meine Kabine und erstatte mir Bericht!«
Eine Stunde später kam Connie in James' Kabine, um eine Ration Roggen aus der wohlgefüllten Vorratstruhe zu holen und gesellte sich dann zu ihm an den Schreibtisch. »Machst du dir immer noch Sorgen um den Jungen?«
»Um diesen Gauner?« schüttelte James abwehrend den Kopf, worauf augenblicklich wieder die pochenden Schmerzen einsetzten. Schnell nahm er einen kräftigen Schluck von dem Gebräu, das ihm Connie aus der Kombüse hatte bringen lassen. »Tony paßt schon auf, daß Jeremy nicht in größe-re Schwierigkeiten gerät. Wenn sich hier jemand Sorgen um diesen Lümmel macht, dann offensichtlich nur du. Solltest eigentlich auch einen Sohn haben, Connie!«
»Hab ich wahrscheinlich schon. Hab ihn eben nur noch nicht ausfindig gemacht. Vielleicht hast du auch noch mehr Kinder in die Welt gesetzt, von denen du nichts weißt.«
»Gütiger Himmel, einer ist genug«, erwiderte James in gespieltem Entsetzen und Connie grinste belustigt. »Nun, wie steht es mit dem Report? Wieviele Männer von unserer alten Mannschaft hast du anheuern können?«
»Achtzehn, und die übrigen Posten sind auch besetzt, mit Ausnahme dem des Bootsmannes. Aber das weißt du ja bereits.«
»Wir segeln also ohne Bootsmann, da hast du dir was auf-gehalst, Connie.«
»Das stimmt. Das heißt, wenn ich nicht gestern noch einen gefunden hätte, vielmehr, wenn der sich nicht freiwillig gemeldet hätte. Er wollte eigentlich als Passagier mitfahren, zusammen mit seinem Bruder. Ich hab ihm aber gesagt, daß die Maiden Anne keine Passagiere aufnimmt, und daraufhin wollte er eben während der Uberfahrt arbeiten
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