Malory
geschlagen. »Ich gestehe, ich hatte das Ge-fühl, die Tracht Prügel verdient zu haben. Damals hatte es mir einen Riesenspaß bereitet, Reggie direkt unter der Nase unseres großen Bruders zu entführen. Ich war nämlich maß-
los wütend auf Jason, weil er mir damals nicht gestattet hatte, Regan wenigstens ab und zu zu sehen, nachdem ich ...«
»Reggie«, korrigierte ihn Anthony ganz mechanisch.
»Regan«, beharrte James mit etwas mehr Nachdruck in der Stimme und begann damit wieder einmal einen alten Streit.
Schon x-mal waren sich die beiden Brüder darüber in den Haaren gelegen, mit welchem Kosenamen sie ihre Nichte an-reden sollten. Eigentlich rührte dieser Streit von James' jah-relangen Bemühungen her, anders zu sein als seine Brüder, seine eigenen Wege zu gehen und nach eigenen Regeln zu leben. Doch diesmal erkannten beide sofort ihren sinnlosen Disput und fingen an zu grinsen.
Anthony ging sogar noch einen Schritt weiter und räumte großzügig ein: »In Ordnung, dann also meinetwegen Regan
- für heute abend.«
James klopfte sich mit der Handfläche demonstrativ ans Ohr. »Ich muß mich wohl verhört haben?«
»Zum Teufel damit«, fluchte Anthony knurrend. »Erzähl schon endlich weiter, bevor ich hier auf dem Stuhl einschlafe! Ah, da kommt ja unsere zweite Flasche.«
»Du willst mich doch nicht etwa schon wieder unter den Tisch saufen, oder?«
»Nicht im Traume«, zerstreute Anthony seine Bedenken, während er ihre Gläser bis an den Rand vollschenkte.
»Das hast du damals auch behauptet, als wir bei Whites waren. Doch wenn ich mich recht entsinne, mußte uns unser guter Freund Amhorst beide nach Hause schleppen ... mitten am hellichten Nachmittag. Übrigens hast du mir nie er-zählt, was deine kleine Frau dazu gesagt hat.«
»Oh, 'ne ganze Menge, ich danke. Ist es aber nicht wert, wiederholt zu werden«, entgegnete Anthony leicht säuerlich.
James' herzerfrischendes Gelächter lenkte einige neugieri-ge Blicke auf sie. »Jetzt mal im Ernst, wo ist nur deine Finesse geblieben, altes Haus? Schon am zweiten Tag deiner Ehe bist du bei deiner Gemahlin in Ungnade gefallen, und nur wegen dieser kleinen Dirne. Wieso hast du deiner eifersüchtigen Gattin denn nicht klargemacht, daß du nichts mit dem Barmädchen gehabt hast? War natürlich ausgesprochenes Pech, daß sie ein blondes Haar an deinem Revers hatte finden müssen. Aber schließlich hattest du dich doch ihretwegen in dieser Taverne herumgedrückt, um ihren komischen Vetter Cameron zu finden. Hast du ihr das denn nicht gesagt?«
»Sicher hab ich das.«
»Aber du hast ihr nicht erzählt, daß die Kleine an diesem Abend mein Mädchen war?«
Anthony schüttelte stur seinen Kopf. »Und das fällt mir auch nicht im Traume ein. Es muß genügen, wenn ich ihr versichere, daß zwischen uns nichts passiert ist, daß sie mir zwar ein eindeutiges Angebot gemacht hatte, ich dieses aber ausgeschlagen habe. Schließlich ist das eine Sache des ge-genseitigen Vertrauens ... Hatten wir beide dieses Thema nicht erst kürzlich, genau hier, in dieser Kneipe? Hör schon auf, dich in mein Liebesleben einzumischen. Meine kleine schottische Braut wird schon darüber hinwegkommen. Ich habe da so meine eigenen speziellen Mittel und Wege ...
Aber kommen wir zurück zu deiner Lebensbeichte, wenn's recht ist?«
Um mit Anthony Schritt zu halten, griff James ebenfalls zu seinem Glas. »Also, wie gesagt, ich war stinksauer auf Jason, weil er mir nicht erlaubt hatte, Regan wenigstens von Zeit zu Zeit zu sehen.«
»Hast du denn ernstlich mit seinem Einverständnis gerechnet? Immerhin warst du damals bereits zwei Jahre unterwegs und hast als Freibeuter die Meere unsicher gemacht.«
»Ja, auf den Meeren habe ich tatsächlich einen Mordswir-bel veranstaltet, aber in meinem Innern habe ich mich niemals verändert. Jason wußte ganz genau, daß ich die ganze Hawke-Angelegenheit unverzüglich aufgegeben hätte, wenn er mir gestattet hätte, Regan zu besuchen. Aber stattdessen hat mich dieser Kerl einfach enterbt, weil ich angeblich den guten Namen unserer Familie in den Dreck gezogen hatte.
Dabei hatte kein Mensch auch nur die geringste Ahnung davon, daß Kapitän Hawk und James Malory, Vicomte von Ryding, ein und dieselbe Person sind. Jason indes blieb stur und rückte keinen Deut von seinem Standpunkt ab. Also, was sollte ich tun? Regan niemals wiedersehen? Du weißt am besten, daß sie wie eine Tochter für mich ist. Schließlich haben wir alle sie gemeinsam
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